Geldpolitik

Die Europäische Zentralbank denkt nicht ans Aufhören

Christine Lagarde.
Christine Lagarde.REUTERS
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Die Notenbank bleibt im Krisenmodus und will günstigere Finanzierungsbedingungen sicherstellen. Die Wirtschaft wächst stärker.

Die Konjunktur in der Eurozone zieht an und mit ihr die Inflation. So weit so normal, so läuft der Wirtschaftskreislauf nun mal. Dennoch denkt die Europäische Zentralbank nicht daran, ihren Fuß vom geldpolitischen Gaspedal zu nehmen. Nach der Zinssitzung am Donnerstag teilte EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit, weiter im Krisenmodus verharren zu wollen.

Das coronabedingt aufgelegte Krisenprogramm PEPP wird deshalb ganz normal weiterlaufen, zumindest bis Ende März 2022 und „in jedem Fall so lang, bis die Phase der Coronakrise“ nach Meinung der Notenbanker vorüber ist. Ein Wording, das man aus Frankfurt schon seit einiger Zeit zu hören bekommt. Vor allem die Finanzierungsbedingungen sind der Zentralbank ein Anliegen. Denn mit der Erholung der Wirtschaft steigen auch die Marktzinsen langsam wieder an, was Firmen, Staaten und Privathaushalte – vor allem die hoch verschuldeten – früher oder später in die Bredouille bringen kann.

Weshalb die EZB auch im dritten Quartal wieder großzügiger auf den Märkten intervenieren wird. Schon für das zweite Quartal hatte die Notenbank Käufe in größerem Umfang als noch zu Jahresbeginn getätigt. Inzwischen beläuft sich das Volumen der Anleihekäufe auf über eine Billion Euro, auf 1,85 Billionen Euro ist die Krisenintervention ausgelegt. Ausgeschöpft werden muss der Betrag allerdings nicht.

In den vergangenen Wochen waren aus der EZB immer wieder Stimmen laut geworden, die ein langsames Abschmelzen der Anleihekäufe angesichts der wirtschaftlichen Erholung forderten. Auch wenn das Thema mit dieser Zinssitzung gegessen scheint – die Debatte komme laut Lagarde „zu früh und sei voreilig“ – dürfte sie spätestens im September wieder aufflammen.

Michael Heise von HQ geht mit der Notenbank jedenfalls hart ins Gericht: „Die EZB wandert auf einem schmalem Grat: Sie will das Risiko einer vorzeitigen Straffung vermeiden und die Konjunktur weiter stimulieren, nimmt dabei aber in Kauf, die geldpolitischen Bedingungen zu lang zu locker zu halten und damit Übertreibungen an den Finanzmärkten und bei Immobilienpreisen zu verstärken, die das Wachstum in mittelfristiger Sicht abwürgen und rezessive Kräfte verstärken können.“ Denn die Wirtschaft wird sich weiter kräftig erholen, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, begleitet von höheren Durchimpfungsraten. Die EZB erhöhte ihre Wachstumsprognose für die Eurozone am Donnerstag deutlich: Von vier auf 4,6 Prozent für das laufende Jahr, im kommenden Jahr soll das Plus 4,7 Prozent statt 4,1 Prozent, betragen.

Auch in Sachen Inflation gab es Revisionsbedarf. In den vergangenen Monaten war die Inflationsrate im Euroraum kontinuierlich nach oben geklettert. Für 2021 wird inzwischen eine Teuerungsrate von durchschnittlich 1,9 Prozent erwartet (zuvor 1,5 Prozent), für 2022 geht man von 1,5 Prozent (statt 1,2 Prozent) aus. Das ist vor allem auf die Energiepreise zurückzuführen, aber auch auf Verzerrungen, die in der Pandemie ihren Ursprung nahmen. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten sei aber nicht nachhaltig, für 2023 geht man unverändert von einer 1,4- prozentigen Rate aus, was unter den Erwartungen der EZB liegt.

US-Inflation bei fünf Prozent

Unmittelbar stärker unter Handlungsdruck könnte die US-Notenbank Fed geraten, deren Zinssitzung kommende Woche ansteht. Denn am Donnerstag wurden die neuesten Daten zur US-Inflation präsentiert, die viele Ökonomen überraschten. So sind die Verbraucherpreise im Mai um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – der höchste Wert seit 2008. Erwartet worden war „lediglich“ ein Plus von 4,7 Prozent. Auch hier schlug der sogenannte Basiseffekt auf breiter Front zu. Doch auch die Fed glaubt, dass diese Entwicklungen nur vorübergehend sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2021)

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