Maserati

Vorkammer-Flimmern

(c) Lorenzo Marcinno
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Mit dem MC20 kehrt Maserati zu seinen Rennsport-Wurzeln zurück.

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Die Einwohner in den Bergdörfern rund um Modena kann man mit einem Sportwagen nur schwer beeindrucken. Ferrari und Lamborghini haben im Umland der italienischen Stadt ihren Firmensitz und testen auf den kurvenreichen Straßen regelmäßig Autos. Wenn hier ein V8 durch die Ortschaft blubbert und brummt, schaut kaum noch jemand auf.

Mit diesem Auto aber zogen wir die Blicke auf uns. Weniger wegen der Form dieses Sportwagens, einer hielt ihn gar für einen McLaren. Mehr wegen des Logos, das groß vorn auf dem Kühlergrill prangt: Ein Dreizack, unverwechselbar seit über 100 Jahren das Zeichen von Maserati. Aber auf so einem Sportwagen hat man ihn schon lang nicht mehr gesehen.Der MC20 also – Maserati Corse 2020. Ein reinrassiger, purer, radikaler Sportwagen, der einmal nicht von Ferrari oder Lamborghini und, bei mancher Ähnlichkeit, auch nicht von McLaren kommt, sondern vom dritten Autobauer in Modena. Von einem, der trotz einer großen Renngeschichte in den vergangenen Jahren mehr auf sportliche Limousinen und auf ein SUV (Levante) gesetzt hat. Und jetzt das! Nicht nur ein netter Versuch, in die Liga der Sportwagen-Dreifaltigkeit vorzudringen, sondern eine echte Alternative.

Nur eine Maßangabe: Das Gewicht-Leistungs-Verhältnis des MC20 beträgt 2,33:1. Heißt, auf 2,33 Kilogramm kommt eine Pferdestärke. Das ist ein Verhältnis, das sonst kein Hersteller bieten kann.
Mittelmotor, Heckantrieb und geringes Gewicht sind die Zutaten für ein Auto, das in erster Linie Spaß machen soll. Man muss aber schon auf die Rennstrecke gehen, um zu erleben, wieviel Spaß der MC20 tatsächlich machen kann. Mit einer brachialen Beschleunigung aus dem Stand und einer linearen Kraftentfaltung des V6-Biturbo-Motors bis 7500 Umdrehungen pro Minute, wenn der Motor die volle Leistung von 630 PS entfaltet.

Obwohl die Designer als bewusstes Zeichen des Understatements auf auffällige Flügel und Spoiler verzichtet haben, hat der MC20 dank eines speziell gestalteten Unterbodens genug Anpressdruck, um selbst bei flotter Fahrt nicht aus den Kurven zu fliegen. Wenn überhaupt, dann untersteuert er leicht, was sich im Anlassfall freilich einfacher kontrollieren lässt. Dank seines Gewichts lässt er sich agil bewegen und präzise lenken. Das Carbon-Monocoque (von Dallara) trägt wesentlich zu diesem Gewichtsvorteil bei und lässt sich so adaptieren, dass Maserati im kommenden Jahr auch eine Spider- und eine vollelektrische Version des MC20 auf den Markt bringen wird.

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»Der V6 Motor produziert 210S PS pro Liter Hubraum«

Verlässt man den Rundkurs für das Hinterland von Modena – wählt man als Fahrmodus Sport oder GT –, dann sitzt man in einem gemütlichen Gran Turismo. So guten Halt die Sitze von Sabelt in flotten Kurven bieten, so angenehm gemütlich sind sie auf der Langstrecke. Maserati hat den MC20 sogar etwas höher gebaut (1,22 Meter) als die Mitbewerber ihre Sportwagen, damit auch große Menschen bequem Platz haben – gegebenenfalls auch mit Helm.

Ansprech- und Drehverhalten von Motor und Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe steuert man über vier Fahrmodi – Wet, GT, Sport, Corsa –, eine weitere Drehung schaltet die Stabilitätskontrolle aus. Bei Sport- und Corsa entwickelt der V6-Motor seine besten Klangqualitäten, bei GT klingt er erstaunlich zahm. Wer den Klang will, es aber dennoch gemütlicher mag, stellt die Dämpfer per Knopfdruck im Sport- oder Corsa-Modus weicher (härter stellen kann man sie nicht).

Man ist in Modena besonders stolz darauf, dass man den MC20 in nur zwei Jahren zur Serienreife gebracht hat. Genauso wie auf den Motor – Nettuno genannt –, den man in völliger Eigenregie entwickelt habe. Wissende glauben freilich, in Zylinderanordnung und Zündfolge Anleihen beim Ferrarimotor F154 zu sehen. Egal, wäre ja auch nicht die schlechteste Verwandtschaft.Die sechs Zylinder des 3,0-Liter-Motors leisten doppelt aufgeladen 630 PS – rekordverdächtige 210 PS pro Liter Hubraum also – und bringen ein Drehmoment von 730 Newtonmeter. Was den Motor aber auszeichnet – und was aktuell nicht einmal Ferrari in seinen Motoren anbietet – ist eine Zündung in der Vorkammer und eine weitere Zündung in der Hauptkammer. Durch diese Vorkammer-Zündung, die durch eine gelochte Scheibe gepresst wird, entstehen in der Hauptkammer des Motors mehrere verschiedene Zündorte zum gleichen Zeitpunkt. Das Ergebnis ist eine bessere Verbrennung und eine bessere Kraftentfaltung. Eine Technik, die direkt aus der Formel 1 stammt.
FCA, zu denen Maserati gehört, hat dem Unternehmen viele Ressourcen für den MC20 genehmigt. Und dafür angeblich auch welche von Alfa Romeo weggenommen. Denn dass der Maserati-Sportwagen in so kurzer Zeit entwickelt werden konnte, habe man den Vorarbeiten beim Schwesterunternehmen zu verdanken. Dort arbeitete man schon länger am Nachfolger des Alfa Romeo 4C, wegen Sparmaßnahmen wurde das Projekt aber abgedreht und an Maserati weitergereicht. Daher auch etliche gleiche Zulieferer. Heißt es. Inoffiziell. Will niemand der Offiziellen bestätigen.
Wie auch immer. Herausgekommen ist jedenfalls etwas Besonderes. Man wünscht Maserati, dass mit dem MC20 der Neubeginn gelingt, den die Traditionsmarke wieder einmal probiert.

(c) Lorenzo Marcinno

Zurück zu den Wurzeln

Mittelmotor, geringes Gewicht, Heckantrieb: Der Maserati MC20 ist gebaut, um Spaß beim Autofahren zu haben.

Name : Maserati MC20
Preis : ab 262.000 Euro
Motor : V6 Twinturbo, 3000ccm
Leistung : 630 PS
Antrieb : Heckantrieb
Gewicht : 1475 kg
0–100 km/h : in 2,88 Sekunden
Vmax : 326 km/h
Verbrauch : 11,5 l/100 km

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