Leitartikel

Die Hassliebe der Regierung zur Digitalisierung des Landes

PK ZUM KICK-OFF STANDORTSTRATEGIE 2040: KURZ/SCHRAMBOeCK
PK ZUM KICK-OFF STANDORTSTRATEGIE 2040: KURZ/SCHRAMBOeCKAPA/ROBERT JAEGER
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Endlich. Startschuss für den Grünen Pass nach EU-Norm für Österreich. Für alle Österreicher? Nein. Eine der 3-G-Gruppen bleibt noch ausgesperrt.

Warum hat unsere Regierung eigentlich so große Probleme mit der Digitalisierung? Vermutlich oder ziemlich sicher, weil ihr Know-how und ehrliches Interesse fehlen. Aber auch, weil es leichter ist, sich auf Babyelefanten und Werbespots zu konzentrieren, in denen eine ältere Dame für die Covid-Impfung wirbt, indem sie erklärt, dank Impfungen in ihrem Leben noch nie krank gewesen zu sein. Natürlich ist das einfacher, als sich einem nationalen Technologieprojekt mit all seinen Tücken zu stellen und damit die Digitalisierung des Landes voranzutreiben.

Blicken wir zurück auf den Erfahrungskatalog der Regierung seit Pandemiebeginn: Während der Babyelefant schon über die TV-Schirme hüpfte, sollte eine App das Contact Tracing erleichtern. Ganz anonym. Die Stopp-Corona-App war an sich eine gute Idee. Nur war sie in der Startphase nicht ausgereift. Erst in den Folge-Updates wurde sie immer besser. Da war es aber schon zu spät. Der Imageschaden hatte fast schon AstraZeneca-Dimensionen. Eigentlich schade. Eine App vom Roten Kreuz und nicht aus dem Silicon Valley? Das kann nichts werden.

Als die Regierung bemerkte, dass die App zu früh gestartet worden war und die öffentliche Meinung kippte, ließ sie das Projekt wie eine heiße Kartoffel fallen. Genau genommen hat vom Bundeskanzler abwärts niemand die Corona-App so richtig unterstützt. Zu heikel, damit gewinnt man keine Publicity und keine Wähler.

Nächstes Projekt: das Kaufhaus Österreich. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und WKO-Chef Harald Mahrer präsentierten voller Stolz mitten in der Pandemie eine nationale Shoppingsuchmaschine, um Amazon und anderen Online-Riesen die Stirn zu bieten. Was folgte, war ein an Peinlichkeit nicht zu überbietender technologischer Megaflop.

Nun möchte man meinen, dass die Regierung aus der Vergangenheit lernt und Digitalisierungsprojekte ernster nimmt und anders angeht als bisher. Das ist nicht geschehen. Beim Grünen Pass ging es wieder schief. Ankündigung folgte Ankündigung, und die Sache lief aus dem Ruder. Denn der Dachverband der Sozialversicherungen begann im Frühjahr, seine eigene nationale Lösung zu programmieren. Die Basis dafür war kein QR-Code, sondern die E-Card. Nach vielen Entwicklerstunden zogen die Datenschützer dem Projekt unter lautem Getöse den Stecker. Das Gesundheitsministerium wollte sich nicht die Finger verbrennen und wandte dem Vorhaben den Rücken zu. Wieder wurde Zeit verloren und Geld verschwendet.

So wurde aus April Mai und aus Mai der 4. Juni, und auch der hielt nicht. Aber jetzt ist es wirklich so weit. Freilich nicht ganz, sondern nur zum Teil. Ausgerechnet den Pass für die Geimpften gibt es nicht, sondern vorerst nur für Getestete und Genesene. Der Grund: Die Datenbanken der letzten beiden liegen woanders als die der Geimpften, auf denen sitzen die Sozialversicherungen, deren E-Card-Projekt abgeschossen worden ist. Alle Geimpften haben also vorläufig Pech gehabt, denn die Datenanlieferung funktioniert noch immer nicht. Warum eigentlich, Zeit wäre nun ja genug gewesen?

Das Gesundheitsministerium und sein Projektteam aus Beamten haben es trotz eines halben Jahrs voller Ankündigungen noch immer nicht geschafft, gleichzeitig mit der Covid-Impfung einen Grünen Pass auszustellen. Dabei sind die Daten zu 99,6 Prozent so gut wie komplett im E-Impfregister vorhanden. Aus dem kann man nämlich nicht aussteigen wie aus der elektronischen Gesundheitsakte.

Dass Geimpfte derzeit das Nachsehen haben und statt des Grünen mit dem gelben Papier-Impfpass vorliebnehmen müssen, wird das Impfprogramm auch nicht gerade befeuern. Schon jetzt stornieren Impfwillige ihre Termine wegen des schönen Wetters. Ein einheitliches EU-Zertifikat mit internationaler Gültigkeit hätte der Kampagne neuen Schub verleihen können. Denn die Urlaubssaison steht vor der Tür, und die lockdowngeplagte Bevölkerung will wieder reisen. Das zu erleichtern ist ja der eigentliche Sinn des Grünen Passes mit dem EU-QR-Code.

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