Hier lockt die berufliche Perspektive

Technik ist gefragt
Technik ist gefragtMarin Goleminov
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Arbeitsmarkt. Von den Spezialisten bis zu den Schichtarbeitenden: Im technischen Bereich sind Arbeitskräfte so gesucht wie nie. Allein im IT-Bereich fehlen in Österreich 9000 Fachkräfte.

Sie sind rar und gesucht: potenzielle Mitarbeitende in den Mint-Jobs (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Daher Arbeitgeber aufgepasst: Die Studierenden informieren sich überwiegend auf den Unternehmenswebseiten (55 Prozent) über Arbeitgeber, beinahe ebenso viele vertrauen Empfehlungen von Freunden und auf Mundpropaganda. 16 Prozent geben Fachveranstaltungen von Unternehmen an. Zu diesem Ergebnis kommt die Jugendstudie 2021 des Career Centers der TU Wien.

Wichtig in ihrer künftigen beruflichen Tätigkeit ist TU-Studierenden gute Atmosphäre (98 Prozent), eine sinnvolle Tätigkeit (95 Prozent) und die Balance von Arbeit und Freizeit (89 Prozent).

Die meisten Absolventen der TU Wien, der größten Technischen Universität in Österreich, haben übrigens Architektur studiert. In dieser Studienrichtung ist auch der Frauenanteil mit 57 Prozent am höchsten. Was die Absolventenzahl betrifft, folgen Informatik, Technische Physik, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik/Informationstechnik und Maschinenbau.

Software-Entwicklung und Bau

Sie registriere zunehmende Nachfrage bei der Studienrichtung Informatik und Wirtschaftsinformatik, sagt Michaela Unger, die Leiterin des TU Career Centers: „besonders im Bereich Software-Engineering (Web Frontend Developer, Full-Stack Web Engineers, IoT-Engineers, Java Developer, Software Developer Operations, Web Developer), aber auch im Data Science, IT Infrastruktur und IT Security.“

Nachgefragt seien auch Bauingenieure (BIM-Konstrukteure, Projektingenieure sowie „klassische“ Berufsbilder wie Tiefbauingenieur, Projekt- und Bauleiter sowie Bautechniker im Hochbau).

Noch breiteren Bedarf sieht Marion Mitsch, Geschäftsführerin Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie. Gesucht seien Mitarbeitende in allen Mint-Feldern: „vom High Skills Professional und Middle-Manager über international einsetzbare Fachkräfte im Bereich Montage, Vertrieb oder Service bis hin zum Schichtarbeiter“. Kritisch merkt sie an, die Bereitschaft, mit einer guten Basis im technischen Bereich Reisen, Wochenend- oder Nachteinsätze auf sich zu nehmen, sei „leider geringer geworden“. Was die Unternehmen erwarten, sei eine gute Ausbildung: „Was gelehrt wurde, sollte auch gekonnt werden. So selbstverständlich das klingen mag, es ist das leider nicht“, sagt Mitsch. Daneben sei die Bereitschaft, dazuzulernen und sich in den Betrieb einzufügen, gefragt.

DigiComp 2.2 AT

Doch auch für all jene die keine einschlägige (akademische) Ausbildung gibt es gerade im IT-Bereich Angebote. Die Europäische Kommission hat den Digitale Kompetenzrahmen (EU DigComp Framework) entwickelt, Österreich hat diesen weiterentwickelt und das Digitale Kompetenzmodell für Österreich - DigComp 2.2 AT publiziert. Dieses Kompetenzmodell dient der Orientierung und einem gemeinsamen Verständnis, was digitale Kompetenzen denn eigentlich sind und wie sich erfassen lassen. Inzwischen haben mehr als 45.000 Interessierte ihre eigenen digitalen Kompetenzen gemäß dem DigComp 2.2 AT erfassen lassen und wissen damit, wo sie Potentiale zur Weiterentwicklung haben, um digital fit zu bleiben. Das geht ganz einfach und unkompliziert über die Plattform www.fit4internet.at, wo unter der Rubrik „Checken" unterschiedliche Themengebiete zur digitalen Kompetenzerfassung angeboten werden: Alltag, Beruf, Sicherheit oder Künstliche Intelligenz.

Standortbestimmung zur eigenen digitalen Fitness

Bereits 90 Prozent aller Berufe setzen heute digitale Basiskompetenzen voraus. Und sind damit eine Grundvoraussetzung für Beschäftigungsfähigkeit geworden. Laut einer OECD-Studie haben mehr als 40 Prozent der Arbeitnehmer, die täglich Bürosoftware nutzen, keine ausreichenden Kompetenzen, um dies wirksam zu tun. 66 Prozent der Menschen in Österreich im Alter zwischen 16 und 74 Jahren verfügen zumindest über grundlegende digitale Kompetenzen. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass rund ein Drittel der österreichischen Bevölkerung nicht ausreichend an der digitalen Welt partizipieren kann.

Verdrängungswettbewerb

Zurück zu den IT-Spezialisten. Gernot Silvestri, Head of Consulting beim IT-Dienstleister Adesso Austria, spricht explizit von einem „Verdrängungswettbewerb: Es gibt zu wenige Leute, um den Aufholbedarf zu decken, den die Pandemie in Sachen Digitalisierung aufgezeigt hat.“ Unternehmen seien förmlich gezwungen, Mitarbeiter abzuwerben. In Deutschland, sagt er, fehlten 86.000, in Österreich 9000 IT-Fachkräfte. Zudem würden zahlreiche Österreicher wegen der besseren Bezahlung nach Deutschland abwandern.

Zusätzlich fehlten die Frauen in der IT. „Wir brauchen einen anderen gesellschaftlichen Zugang, wie wir Frauen in der Berufswelt sehen“, sagt der Jurist. Mädchen sollten schon in der Schule auf Mint-Berufe angesprochen und ermutigt werden, sich diese Berufsfelder anzusehen. Weil die Orientierung an Eltern und Familie bei der Jobwahl erheblich sei, sei es bedauerlich, dass es immer noch wenige Frauen als Vorbilder gebe. Aber, sagt er, man sollte den Beruf aus 100 Prozent Eigeninteresse wählen – oft auch gegen den Rat von Familienmitgliedern.

Frau in der IT

Bianca Höllmüller (25) ist eine der Frauen in der IT. Die Linzerin ist Frontend-Entwicklerin bei Smarter Ecommerce (smec), einem österreichischen SaaS-Anbieter. Die 25-jährige ist für die Programmierung der Benutzeroberfläche zuständig.

Wie siehen Sie die momentane Situation für Frauen in der IT?
Besonders in jüngeren Unternehmen aber auch während des Studiums habe ich bemerkt, dass Frauen in der IT nichts Ungewöhnliches mehr sind. Natürlich ist es immer noch ein eher männerdominiertes Feld, aber es entwickelt sich in die richtige Richtung. Am allerwichtigsten finde ich das Thema Gleichbehandlung. Als Frau möchte ich persönlich nicht das Gefühl haben, eine Sonderbehandlung zu erhalten.

Was kann man generell tun, um den Frauenanteil in IT-Berufen zu fördern?
Ich denke, dass es vielen Frauen noch an greifbaren Role Models fehlt. Aus diesem Grund denke ich, ist es umso wichtiger, dass mehr Frauen angestellt werden, um eine gewisse Vorbildwirkung zu erreichen und allgemeinen Unsicherheiten entgegenzuwirken. Ich erlebe es noch hin und wieder, dass sich Frauen den Job schlicht und einfach nicht zutrauen. Auch Netzwerke und Gruppen für Frauen in der IT sind eine große Hilfe für den Einstieg in diese Berufswahl, denn sie helfen aktiv, gewisse Hürden abzubauen um einen Fuß in die Branche zu bekommen.

„Ein Viertel der Studierenden in Informatik-Vorlesungen ist weiblich, in den Unternehmen landen 17 Prozent – die Aufhebung dieser Differenz von acht Prozentpunkten allein würde schon helfen, Jobs zu besetzen.“

Berufliche Perspektive

Noch zwei Zahlen aus der Jugendstudie des TU Career Center: 77 Prozent beginnen ein technisches Studium wegen der beruflichen Perspektiven. 36 Prozent wegen des Rats der Eltern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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