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Ein Werkzeugkoffer für die smarte Fabrik

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Wie lassen sich Produktionsprozesse intelligent steuern? In einem neu gegründeten Christian-Doppler-Labor in Linz untersuchen Forscher, wie man die Software dahinter optimal an unterschiedliche Erfordernisse anpassen kann.

Wenn in den Montagehallen der Autohersteller die Fahrzeuge auf dem Fließband weitergeschoben werden, ein Roboter die nächste Schraube an der Karosserie festdreht und ein fahrerloser Transportwagen schon die weiteren Fertigungsteile bringt, dann beeindrucken der hohe Automatisierungsgrad und die Effizienz, mit der ein Pkw nach dem anderen aus der Produktionsstätte rollt. Doch ganz von allein läuft das Werkl nicht. Dahinter steht das Prinzip der Smart Factory, der intelligenten Vernetzung von Maschinen und den von ihnen erzeugten Produkten. Die Basis dafür wiederum bilden Softwaresysteme.

„Wir versuchen, systematische Ansätze aufzuzeigen, wie man diese Software so entwickelt, dass sie mit möglichst wenig Aufwand an verschiedene Produktionsbedingungen angepasst werden kann“, erklärt Rick Rabiser. Er ist gemeinsam mit Alois Zoitl Leiter eines vor wenigen Tagen eröffneten Christian-Doppler-(CD)-Labors an der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Der Name des Labors – Mastering Variability in Software-intensive Cyber-Physical Production Systems – sei etwas, worunter sich selbst Fachleute nicht sofort etwas vorstellen können, beruhigt der Forscher. Ein Beispiel soll daher verdeutlichen, worum es geht: „Wenn in einer Produktionsanlage im Lauf der Jahre Erzeugnisse für verschiedene Auftraggeber hergestellt werden, dann haben diese Erzeugnisse meist unterschiedliche Anforderungen. So können etwa in einer Stranggussanlage Stahlgüter von höherer oder niedrigerer Qualität hergestellt werden. Die Software, die die Produktionsprozesse steuert, bleibt aber dieselbe. Sie muss nur adaptiert werden.“

Sensoren melden Situation

Auch bei einer Modernisierung des Maschinenparks wird die Steuerungs- und Automatisierungssoftware nicht immer völlig neu entwickelt, sondern lediglich an die Erfordernisse der jeweiligen Anlagen angepasst. Was die Software können muss, erklärt Co-Laborleiter Zoitl: „Damit sich die Produktionsumgebung selbst organisieren kann, gibt es zunächst einmal Sensoren, die dem System Daten melden. Das kann die Temperatur sein oder auch das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Elemente. Das System entscheidet dann aufgrund dieser Daten, welche Aktion als nächste ausgeführt wird.“ Diese hochkomplexen Entscheidungen, für die oft eine große Menge an Daten verarbeitet wird, muss mitunter innerhalb von Millisekunden gefällt werden.

„Aufgabe des CD-Labors ist es nicht, Software zu entwickeln“, stellt Rabiser klar. „Aber wir geben den Entwicklern einen Werkzeugkoffer in die Hand, der ihnen hilft, die Software so zu programmieren, dass Adaptierungen möglichst effizient möglich sind.“

Ziel der neuen Forschungseinrichtung sei es also, den Wiederverwertungsgrad der Steuerungs- und Automatisierungsalgorithmen zu erhöhen und die Vielfalt der eingesetzten Software-Varianten erfolgreich zu managen. Zudem soll bereits in den Entwicklungswerkzeugen berücksichtigt werden, dass Hard- und Software in den Produktionsanlagen perfekt harmonieren müssen. Die Ergebnisse, so Zoitl, sollen der heimischen Industrie zur Verfügung stehen, um die hohe Qualität der Erzeugnisse sicherzustellen und den Produktionsstandort Österreich zu stärken.

Lexikon

Smart Factory, auf Deutsch intelligente Fabrik, nennt man industrielle Produk-tionsprozesse, die sich durch die digitale Vernetzung aller Teile und Arbeitsschritte auszeichnen. Die für die Produktionssteuerung erforderlichen Daten werden an jedem Punkt der Prozesskette auto-matisch erfasst, digitalisiert und softwaregestützt ausgewertet. Steuerung und beteiligte Maschinen kommunizieren miteinander in Echtzeit im Internet der Dinge unabhängig vom Menschen und regeln so die Produktionsabläufe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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