Nachhaltigkeit

Hinter's Gebüsch hockerln? Das geht jetzt ökologisch sinnvoll!

So soll die öffentliche Toilette Loopi aussehen: Sie braucht weder extra Strom noch Wasser.
So soll die öffentliche Toilette Loopi aussehen: Sie braucht weder extra Strom noch Wasser.Alchemia-Nova
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In Wien wird bald das erste Pflanzen-Urinal aufgestellt: Das Abwasser der Unisex-Toilette düngt Pflanzen, die dieses sogleich wieder reinigen, sodass es im Kreislauf als Spülwasser verwendet wird. Biokohle fängt die restlichen Nährstoffe auf: eine Idee für biologischen Bodendünger.

In Spanien waren die Leute so begeistert, dass sie unser VertEco-Testsystem behalten wollten und es nun im Hotel in Lloret de Mar die Poolbar verschönert“, erzählt Theresa Heitzlhofer vom außeruniversitären Forschungsinstitut Alchemia-Nova. Die Rede ist von der Pflanzenwand namens VertEco, die mit Grauwasser versorgt wird, so heißt Abwasser aus Dusche, Waschmaschine und Handwaschbecken.

Die Wurzeln der Pflanzen holen sich aus dem Grauwasser Nährstoffe, brauchen also weder frisches Wasser noch Dünger, und reinigen es dabei. So kann das im Pflanzensystem gefilterte Abwasser für Textilreinigung, Toilettenspülung oder das Gießen im Garten verwendet werden. Diese Wassereinsparung wird durch den Klimawandel für immer mehr Regionen interessant und ist vor allem dort beliebt, wo große Touristenmassen in den heißesten und trockensten Monaten versorgt werden.

„Es gibt jeweils Sensoren, die messen, wie viele Substanzen über das Grauwasser in die Pflanzenwand hineinkommen, und Sensoren, die messen, was nach der Reinigung noch drin ist“, erklärt Heitzlhofer. Meldet der Sensor am Ende des Reinigungsprozesses, dass die Wasserqualität nicht hoch genug ist, schickt das System die Ladung noch einmal durch die Pflanzenreinigung, bis das, was unten herauskommt, die erwünschte Qualität für weitere Zwecke hat.

„Die chemische Zusammensetzung wird unabhängig davon auch von einem örtlichen Labor geprüft“, bestätigt Heitzlhofer. Bei den Analysen fiel den Forschern auf, dass eine gewisse Menge an Urin im Grauwasser der Hotellerie vorkommt – dass Duschwasser also nicht nur Schmutz und Seife enthält. „Und dann bemerkten wir, dass die Pflanzen diese Stoffe gut aufnehmen“, so Heitzlhofer.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Bodenforschung und dem Institut für Siedlungswasserbau und Gewässerschutz der Boku Wien startete das Alchemia-Team daraufhin ein neues Projekt, das sich besonders auf Gelbwasser, so die Fachbezeichnung für Abwasser mit Urin, konzentriert.

„Gelbwasser“ für Nährstoffzehrer

Gefördert vom Klimaschutzministerium über das FFG-Programm „Stadt der Zukunft“ wurde nun Loopi entwickelt, ein Urinal für Männer, Frauen und Kinder, in dem das Abwasser von Pflanzen gefiltert wird. Die Gestaltung der Toilettenkabinen aus rostfreiem Edelstahl übernahm die Wiener Firma Eoos Design, das Konzept wurde soeben mit dem Green Concept Award prämiert: Kontaktlos und hygienisch kann jeder und jede dort das kleine Geschäft erledigen, die Spülung muss nicht gedrückt werden.

Das Spülwasser rinnt durchgehend und bringt das nährstoffreiche Abwasser zu der Pflanzenwand auf der Außenseite der Toilettenanlage, die keine Erde, sondern Blähton als Substrat hat, also hydroponisch angelegt ist. Ganz oben werden jeweils Arten ausgesucht, die starke Nährstoffzehrer sind, das heißt, dass sie viel Nitrate und Phosphor aufnehmen. Weiter unten variiert die Vielfalt der weniger anspruchsvollen Pflanzen, die mit weniger Nährstoffen auskommen. „Wir nutzen nur heimische Pflanzenarten, in Spanien also andere als in Österreich. Hier müssen sie winterhart sein“, betont Heitzlhofer.

In ihrem Labor stehen unzählige Pflanzen, die mit synthetischem Urin durchspült werden. In langen Testreihen eruieren die Biologen, welche Arten sich für welche Gelbwasserkonzentrationen eignen und welche Wurzeln am besten Stickstoff und Phosphor aufnehmen. „Es braucht eine gewisse Vorlaufzeit, bis sich die richtigen Populationen an Mikroorganismen einstellen, die mit diesem Wasser umgehen können“, erklärt Heitzlhofer. 200 Pflanzen aus 30 Arten stecken im ersten Prototypen des Loopi, der nun im Juni in Wien als öffentliche Toilette aufgestellt werden soll.

Die Pflanzen schaffen aber nicht alles aufzunehmen, was an Nährstoffen im Urin steckt. Deswegen reinigt auch ein Filter aus Biokohle das Abwasser, bevor es wieder in die Spülung geht. Bodenforscher der Boku testen gerade, wie gut sich diese angereicherte Biokohle, die aus Abfallresten der Landwirtschaft produziert wird, als ökologischer Bodenverbesserer und Dünger eignet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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