Finanzbildung

Bei Konsumglättung fängt es an

Technisch ist der Aktienmarkt heute für jedermann zugänglich. Nachhaltige Investments erfordern aber auch Know-how.
Technisch ist der Aktienmarkt heute für jedermann zugänglich. Nachhaltige Investments erfordern aber auch Know-how.Getty Images
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Neben einem Verständnis für Kapitalmärkte und Geldanlagen geht es auch um das Bewusstsein für die eigene finanzielle Lage und alltägliche Konsumentscheidungen.

Bullen und Bären, Indexfonds und ETFs – an Fachbegriffen mangelt es den Finanzmärkten gewiss nicht. An Teilnehmern aus der breiten Bevölkerung jedoch schon. Für viele ist der Finanzmarkt das Spielfeld der Experten. Zu komplex, zu riskant. „In Österreich wird oft mit großer Skepsis vom Spekulieren statt Investieren in Bezug auf den Kapitalmarkt gesprochen“, sagt Martin Taborsky, Gruppenleiter für Finanzbildung der Oesterreichischen Nationalbank. In puncto Finanzbildung bei Erwachsenen gibt es in Österreich durchaus Luft nach oben. Laut einer im März erschienenen OECD-Studie konnte die Hälfte der Befragten in Österreich eine allgemeine Frage zur Zinsberechnung nicht richtig beantworten, 39 Prozent scheiterten an einer Frage zur Risikodiversifizierung. Im internationalen Vergleich schneidet Österreich dennoch relativ gut ab. Doch das Ausgangsniveau sei in den meisten Ländern gering. „Es ist wahnsinnig viel zu tun“, so Taborsky.

Alltägliche Entscheidungen

Finanzbildung beginnt nicht erst bei Aktien und Co., sondern schon bei alltäglichen Angelegenheiten, wie den Fixkosten oder dem Konsum. Zusammengefasst stellen sich bei finanziellen Entscheidungen zwei grundlegende Fragen: Erstens, wie verteile ich den Konsum über die Lebenszeit, sprich: Wie viel des Geldes verwende ich heute und was spare ich für später? Der Fachterminus dafür lautet Konsumglättung. Finanzkompetenz erfordert ein Bewusstsein über die eigene Lebenslage, Einnahmen und Ausgaben. Besonders beim Thema Überschuldung sei mehr Finanzwissen gefordert, sagt Martin Granig, Co-Funder der Monkee GmbH. Das Tiroler Start-up will per per App zu bewussten Haushaltsentscheidungen motivieren. „Konsum kann durch Ratenkauf zum Verhängnis werden. Es braucht Wissen, um Finanzentscheidungen reflektieren zu können.“

Die nächste Frage: Wie lege ich Geld am effektivsten an – Sparbuch, Wertpapierdepot? „Es ist keine Diskussion, ob man spart oder investiert. Beides ist wichtig. Nur mit einem finanziellen Puffer ist es sinnvoll, über das Investieren zu reden“, sagt Granig. Es gilt: Je informierter, desto fundierter ist die Entscheidung. „Wer mehr weiß, hat mehr Handlungsspielraum“, sagt Edith Franc, Leiterin der Abteilung für Financial Literacy und Public Affairs der Wiener Börse.

Doch während es für Kinder und Jugendliche Bildungsinitiativen gibt, fällt für Erwachsene das Portfolio an Angeboten geringer aus. Bei Onlineanbietern wie Monkee oder dem deutschen Blog Finanzfluss finden sich Infos rund um Konsum und Sparen, wie Haushaltspläne oder Sparzielrechner. „Langfristige Ziele werden in Wochenziele heruntergebrochen, so kommt die Zukunft in die Gegenwart“, erklärt Granig. Wer den Weg in Richtung Finanzmarkt einschlagen möchte, findet bei einigen Banken kostenlose Workshops und Lernunterlagen – nicht ganz uneigennützig: Nach der Bildung lockt die Depoteröffnung.

Neben dem Selbststudium gibt es Seminare. So hat die Wiener Börse in Kooperation mit dem Wifi Wien eine Akademie initiiert, vom Einsteigerkurs bis zur Börsenhändlerausbildung. „Wir bemerken seit Frühjahr 2020 eine steigende Nachfrage“, berichtet Franc.

Investieren nur mit Basiswissen

Zurückzuführen ist dieser Trend auf die Aktienrallye der Pandemie und die niedrigen Zinsen, die das Sparbuch weniger attraktiv machen. Taborsky: „Wir sehen, dass die Leute nicht mehr ganz so mit dem Kapitalmarkt fremdeln.“ Ohne Bildung jedoch auch ein gefährliches Terrain. „Es gibt viele niederschwellige Angebote, die für junge Menschen das Handeln spannend machen. Doch Investieren ist nicht per se lustig. Wenn man beginnt zu zocken, ist das keine nachhaltige Anwendung des Kapitalmarkts.“ Laut OECD-Studie verfügen besonders jüngere Menschen zwischen 15 und 38 Jahren über ein niedrigeres Niveau an Finanzwissen als Ältere. Zudem agieren Jüngere risikoreicher und weniger zukunftsorientiert. Wie viel Wissen als Eintrittsticket für den Kapitalmarkt empfohlen wird, hängt von den Finanzprodukten ab und davon, welche Aufgaben man an externe Berater, etwa die Bank, delegieren möchte. Ein Basisverständnis sollte jedoch stets vorhanden sein. Es müssen nicht immer teure Seminare sein. „Es gibt es viele Blogger und YouTuber, die das Thema Finanzwissen sehr hochwertig aufarbeiten“, sagt Granig. Was es aber für alle Bildungsangebote braucht, ist Zeit – und Zeit ist Geld.

Web:www.monkee.rocks, www.wienerborse.at, www.finanzbildung.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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