Verliert die EZB die Kontrolle über die Inflationserwartungen, hat Europa ein großes Problem, sagt der künftige Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Denn Länder wie Italien verkraften ohne Fiskalunion keine höheren Zinsen.
Die Presse: In den USA lag die Teuerung im Mai auf Jahresbasis bei fünf Prozent. Der höchste Wert seit 2008. In Österreich lag sie bei knapp drei Prozent. Sehen wir gerade den Beginn einer echten Inflationswelle?
Gabriel Felbermayr: Ja, es ist eine Welle. Das ist das richtige Bild. Denn wie eine Welle schwappt sie nun einmal durch. Grund dafür ist, dass durch die Krise ökonomische Aktivitäten unterbunden wurden. Die zurückgestaute Nachfrage geht jetzt in den Markt und trifft auf ein zu knappes Angebot. Das treibt die Preise. Wenn diese aufgestaute Kaufkraft abgebaut ist, gibt es die Chance, dass sich die Inflationswerte wieder normalisieren. Entscheidend ist daher nicht die jetzige Welle, sondern der Wasserstand, wenn sie durchgegangen ist. Dieser wird zwar niedriger als jetzt, aber höher als in der Vergangenheit sein.
Warum?
Weil es auch strukturelle Veränderungen gibt. Beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Auch wenn das gerade jetzt schwer vorstellbar ist, werden durch die Demografie Arbeitskräfte sukzessive knapper. Daher wird es höhere Lohnabschlüsse geben. Und das trifft nicht nur auf Europa zu, sondern auch auf China. Zudem gibt es Störungen im Getriebe der Globalisierung. Stahl ist auch deshalb teurer, weil er mit Strafzöllen der EU belastet wird. Außerdem wird es für die Notenbanken schwerer werden, mit einer Niedriginflationspolitik gegenzuhalten.