Hader sagt sich: „OK, Boomer“

Kabarett. Embryo-Filet, Diener, Slow Sex: In seinem ersten Programm seit 17 Jahren sucht Josef Hader brillant das richtige Leben im falschen.

Der Hader betritt die Bühne, und es dürfte das wohlige Prickeln der Erwartung sein, das den Zuschauern schon da erste Lacher entlockt. „Si san a bissl aufgeregt, gö?“, schwingt er sich betont gelassen auf den roten Lederhocker, zeigt ein zuversichtliches Lächeln: „I mach des scho – mit meiner Premierenroutine.“

Siebzehn Jahre ist es her, dass Josef Hader mit „Hader muss weg“ seine letzte Premiere hatte. Für das heimische Kabarettschaffen war das Programm eine kleine Revolution: Inszeniert von David Schalko, ließ Hader auf der Bühne und dahinter eine Art grotesken Film entstehen, spielte sieben Rollen, starb drei Mal. Das sei vieles außer Kabarett, staunten die Kritiker. Danach widmete sich der immer noch renommierteste Kabarettist des Landes viel dem Film und schürte die Erwartungen für seinen nächsten Bühnenstreich: Wie würde der Hader sein Fach diesmal neu erfinden?

Mit „Hader on Ice“ gibt er nun die Antwort – und liefert nichts außer klassisches Kabarett, dieses aber mit Exzellenz. Inhaltlich befasst er sich mit dem Älterwerden und der Suche nach dem richtigen Leben im falschen: Seine Bühnenpersona, die sich natürlich als kokett überzeichnete Version dessen präsentiert, was man für den „echten“ Hader halten will, ist ein selbstgerechter, neureicher, ruhmverwöhnter Eremit, der mit der Welt hadert, aber überzeugt ist, immer das Richtige zu tun. Als ethischer Vegetarier isst er „nur Tiere, die nicht schreien, wenn man sie umbringt“ – also Fische zum Beispiel, oder vietnamesische Entenembryos.

Surreal wird es auch noch

Überhaupt sei Boomer sein super: „Im richtigen Moment auf die Welt kommen, der nächsten Generation alles wegfressen, schmerzlos sterben.“ Nur manchmal verwechselt er seine IBAN mit dem Kontostand. Den „Konsumwahnsinn“ macht er indessen nicht mehr mit, dafür hat er einen Nigerianer angestellt: „Seit ich einen Diener hab, bin ich heraußen aus diesem Hamsterrad.“

Katholische Prägung, Esoterik, Verschwörungstheorien („Alle 100 Jahre wird bei uns die Bevölkerung komplett ausgetauscht!“), Generationenkonflikt („Immer wieder verlassen mich meine viel zu jungen Frauen“), Slow Sex („Kein Druck, niemand versteift sich“): Die Themen, die Hader hier aufgreift, sind beliebte, aber er tut es mit seinem eigenen perfektionierten Zugang, präzise und liebevoll, mit sorgfältig konstruierten, locker dahergeplauderten Pointen voller dunklem Hintersinn.

Mit der Spritzpistole in der einen Hand und dem CO2-neutralen Karibik-Rum in der anderen stürzt Hader sich – und sein Publikum – in einen dichten, mitunter wahnwitzig sprudelnden Erzählstrom: Da treiben sein Stolz, seine Weltanschauungen, sein Selbstverständnis. Heraus kommt er nackt, einsam, ein auf seine Menschlichkeit zurückgeworfener, jammernder Kerl: „Hoffentlich muss ich bei der Verleihung der Ehren-Romy keine Windeln tragen.“

Surreal wird es zwischendurch auch. Plötzlich ist da ein Wolf namens Rudl und bittet mit dunkler Stimme um ein Filet vom Weiderind. Persönlichkeitsspaltung? Am Ende singen die beiden „Over the Rainbow“ am Klavier: Schön.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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