Rätselraten um toten Tiroler in Schweizer CD-Affäre

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Der Vater des in Untersuchungshaft verstorbenen mutmaßlichen Bankdatendiebs aus Tirol klagt die Schweizer Justiz an. Diese hingegen gibt sich auffallend schweigsam.

Bern/ag. In der Affäre um den Tod jenes 42-jährigen Tirolers, der gut zwei Wochen wegen Wirtschaftsspionage in einem Gefängnis in Bern in U-Haft saß und vorige Woche unter noch ungeklärten Umständen starb, meldete sich am Wochenende dessen Vater zu Wort: Er warf der Schweizer Justiz in einem Gespräch mit der Schweizer Zeitung „Der Sonntag“ vor, dass man ihn über der Verhaftung seines Sohnes nicht informiert habe. „Das finde ich nicht richtig“, sagt der Mann, der laut „Sonntag“ im Pitztal im Tiroler Oberland lebt. Er verlange Aufklärung darüber, wieso sein Sohn umkam.

Dieser, dessen Name mit „Wolfgang U.“ angegeben wird, steht laut Schweizer Bundesanwaltschaft im Verdacht, am Verkauf einer CD mit Bankdaten deutscher Bürger mitgewirkt zu haben, die Geld in die Schweiz verschoben hatten. Die CD, die angeblich 1500 Datensätze enthält, wurde im Frühjahr von Unbekannten den deutschen Behörden um 2,5 Millionen Euro angeboten, die nach viel Hin und Her und unter Protesten der Schweiz auf den Deal eingingen. Ob die volle Summe bezahlt wurde, ist unklar.

Tätigkeit als Grafiker in der Schweiz

Wolfgang U., der in der Schweiz als Grafiker arbeitete, wurde laut Schweizer Medien in seiner Firma in Wil (Kanton Sankt Gallen) vor gut zwei Wochen von Beamten des Bundeskriminalamtes verhaftet. Die Schweiz hatte, wie eine Sprecherin des Amts bestätigte, nach dem CD-Deal Ermittlungen wegen Diebstahls bankinterner Daten sowie Wirtschaftsspionage für eine fremde Macht eingeleitet. Es seien auch Schweizer und deutsche Geheimdienste aktiv geworden.

Das Schweizer Bundeskriminalamt mauert zu dem Fall und ließ sich keine näheren Angaben entlocken. Es gebe Hinweise, dass sich der Verdächtige umgebracht habe, heißt es. Zudem dauerten die Ermittlungen noch an, und man habe die Verwandten des Tirolers sehr wohl benachrichtigen wollen. Schweizer Medien spekulierten daher, dass noch gegen andere Personen ermittelt werde und U. gar nicht der eigentliche Dieb der Daten, sondern nur ein „Vermittler“ war, der an dem Verkauf der CD prozentuell mitgeschnitten haben könnte.

Komplizen vermutet

Von der Verhaftung waren nicht einmal, entgegen internationalen Usancen, die konsularischen Behörden Österreichs informiert worden. Allerdings kann es ein im Ausland Verhafteter ablehnen, dass man seinen Heimatstaat in Kenntnis setzt. Interessanterweise war in die Ermittlungen auch die Staatsanwaltschaft Feldkirch (Vorarlberg) eingebunden, was scheinbar in Wien nicht bekannt war. Daher gibt es Vermutungen, dass die Komplizen des Toten in Vorarlberg sein könnten; schon länger gibt es Gerüchte, ein unbekannter Ex-Angestellter einer Schweizer Bank und gebürtiger Vorarlberger könnte Bankdaten illegal kopiert und nach Deutschland vermittelt haben.

Folter im Gefängnis?

Im Frühjahr wurden Deutschland mehrere CDs mit Daten von Schweizer Konten angeboten. Laut „NZZ am Sonntag“ könnte U. auch in den Deal mit einer anderen CD als der oben erwähnten verwickelt gewesen sein. Freunde berichten, er habe nie über die Causa gesprochen und sei ein bescheidener Mensch und „Lebenskünstler“ gewesen, der das Geld nicht nötig gehabt hätte. Vielleicht sei er in der Haft gefoltert worden.

Seit dem ersten CD-Deal haben sich weit mehr als 10.000 Deutsche mit Schwarzkonten in der Schweiz selbst angezeigt, um einer Strafe zu entgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2010)

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