Massen-Uni: Anmeldung wird zu Lotteriespiel

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Ein Platz in der richtigen Lehrveranstaltung wird zum Lotteriespiel – trotz Anmeldung übers Internet.

[WIEN]Zu Semesterbeginn stellt sich für viele Studenten schon die erste große Hürde: Wie schafft man es, tatsächlich in jene Lehrveranstaltungen hineinzukommen, die man besuchen will? Wenige schaffen es angesichts der stetig steigenden Studierendenzahlen, ihren Stundenplan ohne Wartelisten, geänderte Kurse und Tauschen von Kursen mit Kollegen aufzustellen. Besonders betroffen davon sind Doppel- oder Mehrfachstudenten, die mit doppelter Konkurrenz und mehreren Stundenplänen zu kämpfen haben.

So auch Katharina Wittmann, die im fünften Semester an der WU und Chemie und Physik an der Uni Wien studiert. Für Aufsehen hat die 22-jährige Salzburgerin mit einem Blog-Eintrag der WU gesorgt, in dem sie sich aufgrund von Schwierigkeiten bei der Anmeldung zu Lehrveranstaltungen an das Rektorat gewandt hat. „Ich bin jetzt im fünften Semester und habe Probleme, die in meinem Lehrplan vorgesehenen Kurse belegen zu können, weil es keine Plätze gibt.“

Besonders verärgert ist die Studentin über die Benachteiligung der Bewerber aus den Bundesländern: Trotz Atomuhr als Hilfe habe man mit einer Internetverbindung aus Salzburg schlechtere Chancen auf eine zeitgerechte Anmeldung als in Wien. „Ich kann nicht jedes Mal nach Wien fahren, nur weil man vom Account des WU-Servers mit einer Hundertstelsekunde einen Funken mehr Chance hat, einen Platz in irgendeinem Kurs zu bekommen“, so Wittmann. Anmeldungen, die um 14 Uhr starten, sind oft wenige Minuten danach ausgebucht. Ein Mausklick im falschen Moment kann zum Absturz der ganzen Seite führen.

WU-Rektor rechnet mit Crash des Systems

WU-Rektor Christoph Badelt machen Schicksale wie dieses wütend: „Wir haben mehr als viermal so viele Studierende wie Kapazitäten und können leider nicht jedem einen Platz geben.“ Die WU rechnet heuer mit 5000 Beginnern, und wenn sich die „Rahmenbedingungen der Hochschulpolitik nicht ändern, müssen wir mit einem Crash des Systems rechnen“, hieß es seitens der WU. Von Standorten, die in Anmeldephasen technisch benachteiligt sind, will man allerdings nichts wissen. Es gehe bei etlichen tausend Zugriffen „nur“ um das richtige Timing, nicht um den Ort des Rechners.

Platzmängel führen dann sogar zu sehr verzweifelten Taktiken der Studierenden, wie etwa dem Tauschen oder Verkaufen von bereits bestätigten Kursplätzen. Über diese Strategien „wissen wir Bescheid, aber sie lassen sich schwer steuern. Das läuft ja nicht in offiziellen Foren und ist im Nachhinein schwer nachzuprüfen“, so Oliver Vettori aus dem Vizerektorat für Lehre der WU Wien.

„Die IT kann viel, aber nicht für wunderbare Platzvermehrung sorgen“, heißt es in der Pressestelle der Uni Wien in Anspielung auf die akuten Engpässe und die Unterfinanzierung von Studienrichtungen wie Psychologie, Publizistik, Pädagogik oder Internationale Entwicklung. Probleme mit der Anmeldung sind „bei uns Einzelfälle, wir verwenden standardmäßig die Präferenzpunkte in der Anmeldephase. Die Online-Anmeldung bringt Entspannung, das Campen am Campus für sichere Plätze gehört der Vergangenheit an“, so ein Sprecher der Uni Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2010)

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