Universitäten starten in unsicheres Studienjahr

(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Österreichs Hochschulen stehen ein Jahr nach den großen Studentenprotesten zu Semesterbeginn erneut vor dem Zusammenbruch. Die Studienbedingungen haben sich weiter verschlechtert.

Wien. Lange Schlangen vor Hörsälen, kaum Zugang zu Seminarplätzen und unsichere Jobaussichten: Für die meisten Studierenden beginnt das Wintersemester denkbar schlecht. Knapp ein Jahr ist es mittlerweile her, dass tausende Studierende unerwartet in den Streik traten. Zwei Monate lang sollten die „Audimaxisten“ Hörsäle besetzen, demonstrieren und eine breite politische Debatte über das – wie sie es nannten – „versteinerte“ Hochschulsystem lostreten. Zum Besseren gewendet hat sich, wenn heute, Montag, der Lehrbetrieb wieder voll anläuft, kaum etwas, da sind sich die Betroffenen einig. Eher im Gegenteil.

Neue Proteste werden für den Jahrestag der Besetzung Ende Oktober erwartet. Auch die Rektoren schließen angesichts der knappen Budgets einen Streik nicht mehr aus, in Vollversammlungen wollen sie am 19. Oktober gemeinsam mit den Studierenden den Uni-Betrieb österreichweit lahmlegen.

Was aber konkret erwartet die knapp 300.000 Studierenden, wenn sie diese Woche an die Universitäten zurückkehren?


Platzprobleme.
Die Überfüllung der Unis war einer der Hauptkritikpunkte der Protestbewegung des Vorjahres. Die Rede war von langen Wartelisten für Seminare und von Vorlesungen, die man nur am Boden sitzend oder vor den Hörsaaltüren stehend verfolgen könne. Für die meisten Studien gilt diese Beschreibung weiterhin: Die Zahl der Studierenden, die in den vergangenen fünf Jahren teils sprunghaft von rund 218.000 auf nunmehr 274.000 gestiegen ist, wird in den kommenden Wochen weitersteigen. Schon jetzt liegt die Zahl der angemeldeten Erstsemestrigen an vielen Unis über dem Vorjahreswert. Die 300.000er-Marke dürfte erstmals überschritten werden. Die Zahl der Lehrenden blieb über Jahre hinweg konstant niedrig.

Erleichterung gibt es nur in wenigen Fächern – etwa der Publizistik. Nicht etwa, weil hier die Mittel aufgestockt wurden – sondern, weil die Platzzahlen wie in der Medizin oder der Psychologie begrenzt wurden. Die „Verdrängungseffekte“ sind kaum abzuschätzen. Die Unis können nur abwarten, welche Studienrichtungen nun „überlaufen“ werden. Eine Lösung ist nicht in Sicht: In der Koalition ist man sich über eine strengere Regelung des Zugangs uneins. Auch mehr staatliche Mittel für einen Ausbau der Plätze soll es nicht geben.

Weiter Angst vor Gebühren. Immer noch geistern die Studiengebühren in den Köpfen vieler Hochschüler herum. Nach dem früheren Uni-Minister Johannes Hahn versucht auch seine Nachfolgerin und Parteikollegin Beatrix Karl (ÖVP), die SPÖ von der Wiedereinführung zu überzeugen und so die private Finanzierung des Hochschulsystems zu stärken. Bislang ist sie immer gescheitert. Doch Karl ist hartnäckig – und hat noch einen Trumpf: Sollte die ÖVP doch bei jenem Gesamtschulmodell mitgehen, das sich die SPÖ wünscht, könnte sie im Abtausch Gebühren und weitere Zugangsbeschränkungen ausverhandeln. Die ÖH fürchtet, dass ein Studium mit Gebühren für Einkommensschwache kaum noch leistbar ist.


Missglückte Studienpläne. Der Großteil der Erstsemestrigen startet seine Ausbildung mit einem Bachelorstudium. Die Umstellung vom alten Diplomstudium auf das internationale Bologna-System ist organisatorisch fast abgeschlossen. Woran es krankt, ist die Umsetzung: In vielen Fächern ist Bologna gleichbedeutend mit überfüllten, verschulten Lehrplänen – bei gleichzeitig schlechten Jobaussichten. Die neuen Abschlüsse Bachelor und Master sind auf dem Arbeitsmarkt noch nicht durchgesetzt, selbst im öffentlichen Dienst wird der Bachelor nicht als vollwertiger Akademiker anerkannt. Ministerin Karl hat die Reform der Reform („Bologna Reloaded“) bereits eingeläutet. Die Unis, die diese umsetzen sollen, spielen aber nicht wirklich mit. Sobald „Bologna Reloaded“ anläuft, wird es Jahre dauern, bis Verbesserungen wirksam werden.


Unsichere Eingangsphase. Unsicherheit herrscht auch angesichts der Studieneingangsphasen, die im Jahr 2011 kommen. An deren Ende steht – geht es nach der ÖVP – eine „Knock-out-Prüfung“, auch wenn diese nicht so heißen soll. Die SPÖ hat einer „geordneten Eingangsphase“ zwar zugestimmt, von echten Aufnahmetests will man aber nichts wissen. Für Studenten und Unis droht das Konzept damit zur Farce zu werden. Die Rektoren befürchten, dass die Eingangsphase mehr Bürokratie, aber nicht die erhoffte Entlastung und Planbarkeit bringt. Vor allem, weil die Selektion nicht im belasteten ersten Semester, sondern erst nach einem Jahr passieren würde. Viele Studenten sehen einen Wortbruch der Regierung. Hat diese ihnen doch lange Zeit versichert, dass es sich bei der Eingangsphase um eine reineOrientierungszeit handle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.