Deutschland

Parteitag stärkte Spitzenduo der deutschen Grünen

Annalena Baerbock (im Vordergurnd) mit Partei-Co-Chef Robert Habeck haben weiterhin das Vertrauen der Grünen Parteimitglieder.
Annalena Baerbock (im Vordergurnd) mit Partei-Co-Chef Robert Habeck haben weiterhin das Vertrauen der Grünen Parteimitglieder.REUTERS
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Annalena Baerbock wurde offiziell zur Kanzlerkandidatin gekürt, die deutschen Grünen beschlossen außerdem ihr Wahlprogramm. Im Mittelpunkt darin: Klimapolitik und höhere Steuern für Spitzenverdiener.

Das Führungsduo der deutschen Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zieht gestärkt in den Bundestagswahlkampf. Trotz zuletzt sinkender Umfragewerte und hausgemachter Fehler wurde das Duo mit Co-Parteichef Robert Habeck auf dem Parteitag am Wochenende mit 98,5 Prozent bestätigt - ein für die traditionell streitbare Partei hoher Wert. Beim Wahlprogramm gab es zwar zahlreiche Änderungen, in den Kernaussagen blieb es unverändert.

Ihr jahrelanges Nein zu bewaffneten Drohnen etwa zum Schutz bei Bundeswehr-Einsätzen weichte die Partei auf. Sowohl Baerbock als auch Habeck richteten sich nicht nur an die Delegierten, sondern betonten immer wieder, eine Mehrheit in der ganzen Gesellschaft etwa für einen stärkeren Klimaschutz organisieren zu wollen.

"Gute Konzepte allein sind noch keine gute Politik", sagte Baerbock am Sonntag zum Abschluss des dreitägigen Parteitags mit Blick auf das fast 150 Seiten starke Wahlprogramm. Es müsse nun umgesetzt werden. Dafür brauche es breite Bündnisse, auch mit einem neuen Regierungsverständnis. "Wir sind klar in den Zielen, aber offen im Weg." Die Grünen müssten im Wahlkampf viel zuhören und immer wieder Lösungen anbieten. "Das war jetzt der einfache Teil. Jetzt beginnt der richtige Wahlkampf."

Erstmals will man um Kanzlerschaft mitspielen

Baerbock wurde auf dem überwiegend digital stattfindenden Parteitag als Kanzlerkandidatin ihrer Partei bestätigt. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die deutschen Grünen in dieser Form offen die Kanzlerschaft beanspruchen. "Erstmals seit Jahrzehnten liegt echter Wechsel in der Luft", sagte Baerbock am Samstag in Berlin vor rund 100 Neumitgliedern in der Kreuzberger Event-Location Station. "Jetzt ist der Moment, unser Land zu erneuern - und alles ist drin." Die 40-Jährige räumte ein, zuletzt Fehler gemacht zu haben. Sie hatte unter anderem Nebeneinkünfte zu spät gemeldet und musste ihren Lebenslauf an mehreren Stellen leicht korrigieren. Habeck stärkte ihr den Rücken. Die Fehler seien analysiert worden: "Wir werden diese Fehler abstellen."

Nach der vorläufigen Kür der Kanzlerkandidatin waren die Grünen in Umfragen von Ende April deutlich gestiegen und lagen zeitweise vor der Union. "Wir haben eine echte Chance", so Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Doch mit den jüngsten Fehlern und harten Angriffen der politischen Konkurrenz sind die Grünen wieder zurückgefallen. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die Zeitung "Bild am Sonntag" baut die Union ihren Vorsprung aus. CDU und CSU kommen demnach auf 27 Prozent, einen Punkt mehr als in der Vorwoche. Die Grünen büßen einen Punkt ein und erreichen nur noch 20 Prozent.

Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben

Wichtigstes Thema für die Grünen im Wahlkampf wird ihr Kernthema Klimaschutz. "Wir müssen ungefähr doppelt so schnell sein wie in der Vergangenheit", sagte Habeck mit Blick auf den Ausbau Erneuerbarer Energien und CO2-Einsparungen. Das werde schwer genug. Baerbock untermauerte den Anspruch der Grünen auf das Kanzleramt mit dem Abwenden der Klimakrise. Hier müsse sich viel ändern - "keine Ausreden mehr, kein Wegducken, kein Weiterdurchwurschteln". Sie machte sich für eine neue Industriepolitik stark. Das traditionelle Wirtschaftsmodell müsse weiterentwickelt werden zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Diese sei die Grundlage, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Staat werde Firmen die Kosten erstatten, die sie zusätzlich aufbringen müssten, um klimaneutral zu wirtschaften.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf den Grünen vor, die Kosten für den Klimaschutz herunterzurechnen. In ihrem Programm beschlossen die Grünen einen sozialen Ausgleich. So sollen Einnahmen aus der neuen CO2-Bepreisung über eine Kopf-Pauschale - das sogenannte Energiegeld - an die Bevölkerung zurückgeben werden. Davon würden Einkommensschwächere stärker profitieren, weil in der Regel Reichere beispielsweise durch größere Autos einen höheren CO2-Ausstoß aufweisen. Außerdem wollen die Grünen den Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro auf zwölf Euro anheben.

Für den Parteitag gab es knapp 3300 Änderungsanträge zum Wahlprogramm, das schließlich mit 98 Prozent Zustimmung beschlossen wurde. Forderungen nach Verschärfungen etwa beim CO2-Preis oder beim für 2030 geforderten Aus für Verbrennermotoren wurden abgelehnt. Habeck warb mehrfach dafür, bei der geplanten Linie der Parteiführung zu bleiben. "Der richtige Weg zu effektivem Klimaschutz heißt aber auch, gesellschaftliche Mehrheiten zu organisieren. Wenn wir zu schnell zu stark einsteigen, verlieren wir das Projekt der Energiewende und die Menschen." So blieb es im Programm bei der Forderung nach einem CO2-Preis von 60 Euro im Jahr 2023 - das wären 25 Euro mehr als nach dem derzeitigen Stufenplan. Den Benzinpreis könnte das um etwa zehn Cent je Liter verteuern.

CDU legt in einer Woche Programm vor

Die Union hat noch kein Wahlprogramm vorgelegt. Dieses wird am 21. Juni erwartet. Allerdings ist bereits klar, dass sich die Grünen auch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik von der Union abheben. So wollen sie für Top-Verdiener mit einem Einkommen ab 250.000 Euro den Spitzensteuersatz auf 48 Prozent erhöhen. Steuerreformen, die in der Summe zu geringeren Einnahmen der öffentlichen Hand führen, wurden ausgeschlossen. Jedes Jahr wollen die Grünen 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren. "Dafür müssen wir die Schuldenbremse nicht abschaffen. Aber wir müssen sie reformieren", sagte Kellner. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes BDA, Rainer Dulger, nannte das Programm ein "wildes Sammelsurium aus höheren Steuern, zusätzlichen Regulierungen, mehr Abgaben und Ladenhütern".

In der Sicherheitspolitik lehnen die Grünen die Beschaffung bewaffneter Drohnen zum Schutz von Bundeswehr-Soldaten in Einsatzgebieten nicht mehr kategorisch ab. In einer knappen Abstimmung revidierte der Parteitag damit eine jahrelange Position. Bewaffnete Drohnen könnten Soldaten in gewissen Situationen besser schützen, heißt es in der mit 347 gegen 343 Stimmen beschlossenen Formulierung. Für den Antrag hatte unter anderem Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin geworben.

(APA/Reuters)

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