US-Staatshilfe: 111 Millionen für 55 Jobs

(c) EPA (BRENDAN HOFFMAN)
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In den USA laufen Teile des riesigen Hilfspakets der Regierung aus. Der Kongress spricht sich gegen eine Verlängerung aus. Die Rede ist von Geldverschwendung.

New York. Brian Davis hat große Angst. Der Vater von vier Kindern arbeitete 18 Monate lang als Bürohilfe in einer kleinen Gemeinde im US-Bundesstaat Tennessee. Sein Gehalt bekam der 36-Jährige aus Washington überwiesen. Davis profitierte von einem fünf Mrd. Dollar schweren Hilfspaket der Regierung von Barack Obama. Mit dem Geld wurden Jobs finanziert, um die hohe Arbeitslosigkeit von 9,6 Prozent zu bekämpfen. „Es ist ein großer Erfolg“, betonte Obama.

Seit Montag ist Davis wieder arbeitslos. Das Hilfspaket ist ausgelaufen. Obwohl sich Obama klar für eine Verlängerung ausgesprochen hatte, verweigerte der Kongress die nötige Zustimmung. „Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Kinder versorgen soll“, sagte Davis zur „New York Times“. Mehrere Zeitungen und Fernsehsender porträtierten am Wochenende Leute wie den Familienvater Brian Davis aus Tennessee, die nun vor dem Nichts stehen.

500.000 zusätzliche Arbeitslose?

Die Reaktion des Weißen Hauses auf die Verweigerung der Gesetzgeber, das Hilfspaket zu verlängern, fällt harsch aus. „Hunderttausende Jobs werden verloren gehen“, sagte Larry Summers. Der Vorsitzende von Obamas Wirtschaftsrat hofft, dass es sich die Abgeordneten nach den Kongresswahlen im November anders überlegen und eine Fortsetzung absegnen. Summers zufolge wurden mit den fünf Mrd. Dollar des „Job Creation Program“ 130.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Der Stimulus ist Teil des gewaltigen Konjunkturpakets von 787 Mrd. Dollar, das Obama im Februar des Vorjahres abgesegnet hat. Bis Jahresende laufen weitere Segmente davon aus, die direkt in die Gehälter von Arbeitslosen gesteckt werden. Spricht sich der Kongress auch gegen eine Fortsetzung dieser Programme aus, könnten bis zu 500.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Das würde die Arbeitslosigkeit auf 9,9 Prozent erhöhen, sofern sich die Wirtschaftslage nicht bessert.

„Natürlich sind wir uns dessen bewusst“, erklärte der republikanische Abgeordnete Eric Cantor, der federführend gegen eine Verlängerung des „Job Creation Program“ mobil machte. „Aber die USA können sich das nicht mehr länger leisten. Ein großer Teil dieses Programms ist schlicht und einfach Geldverschwendung.“

Die Regierung kam zuletzt wegen des Ergebnisses der Initiative immer stärker unter Druck. Stimmen die von Summers genannten 130.000 Jobs, die mit fünf Mrd. Dollar geschaffen wurden (Republikaner sprechen von weniger als 100.000 Jobs), bedeutet das Kosten von 38.500 Dollar pro Job. „Wir müssten das Geld in Steueranreize für die Privatwirtschaft stecken“, glaubt Cantor. „Damit würden wir deutlich mehr bewirken.“

„Obama kapiert das nicht“

Die Gegner des „Job Creation Program“ bekamen zuletzt weiteren Rückenwind. Es tauchten Beispiele auf, die „einem die Haare zu Berge stehen lassen“, wie es Jack Cafferty vom Sender CNN formulierte. 111Mio. Dollar des Hilfspakets flossen an die Stadtverwaltung in Los Angeles. Nun gestand die Verantwortliche ein, damit exakt 55Jobs geschaffen zu haben. Ein Großteil der Steuergelder ging im Sumpf der Bürokratie verloren. „Und so wollen wir die Arbeitslosigkeit verringern?“, fragte Cafferty.

Nicht nur konservative Politiker zeigen sich zunehmend beunruhigt über die Verwendung großer Teile der Konjunkturpakete. Die Republikaner, die nahezu geschlossen gegen eine Verlängerung der Jobprogramme sind, überzeugten mehrere Dutzend demokratische Abgeordnete von ihrem Standpunkt. Deshalb gilt es als unwahrscheinlich, dass Obama eine Verlängerung des „Job Creation Program“ vor den Wahlen im November erneut aufs Parkett zu bringen versucht.

Den Gesetzgebern bereitet vor allem das Budgetdefizit der weltgrößten Volkswirtschaft Sorge. Für heuer erwarten die Wirtschaftsforscher ein Minus von 1,7 Billionen Dollar. Die Staatsschuld liegt bei über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Trotz der Hilfspakete kommt die Konjunktur nicht in Fahrt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im zweiten Quartal um 1,7Prozent, ein ähnlicher Wert wird für das dritte Quartal erwartet.

Zuletzt haben sich auch führende Wirtschaftstreibende gegen eine Fortsetzung der Hilfspakete ausgesprochen. „Wenn ein Plan seit zwei Jahren nichts bringt, muss man etwas ändern“, erklärte etwa Paul Otellini, Chef des Chipherstellers Intel, in einem Interview mit CNN. „Obama kapiert das schlicht und einfach nicht.“

Auf einen Blick

Ein fünf Mrd. Dollar schweres Hilfspaket, mit dem die USA direkt Gehälter von sonst Arbeitslosen bezahlen, lief am Wochenende aus. Präsident Obama sprach sich für eine Verlängerung aus, doch der Kongress verweigerte die Zustimmung. Zuletzt wurden mehrere Fälle bekannt, die auf eine gewaltige Verschwendung von Steuergeldern schließen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2010)

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