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Parlamentswahl in Algerien: Gemäßigte Islamisten sehen sich vorne

Zählen der Stimmen in einem Vorort der Hauptstadt Algier.
Zählen der Stimmen in einem Vorort der Hauptstadt Algier.APA/AFP/RYAD KRAMDI
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Die Beteiligung lag nur bei 30 Prozent, der Wahlsieg der gemäßigten Islamisten wäre keine Überraschung. Die Wahlkommission weist „unbegründete“ Aussagen über den Wahlausgang zurück.

Nach der Parlamentswahl in Algerien liegt die gemäßigt islamistische MSP nach eigenen Angaben in Führung. Sie habe in den meisten Bezirken gewonnen, erklärte die oppositionelle Bewegung der Gesellschaft für den Frieden (MSP) am Sonntag. Die Wahl am Samstag war die erste in dem nordafrikanischen Land seit dem erzwungenen Rückzug des langjährigen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika vor gut zwei Jahren.

Medienberichten zufolge wies die Wahlkommission am Sonntagabend "unbegründete" Aussagen zum Ausgang der Wahl zurück, ohne die MSP zu nennen. Wegen der "komplizierten" Auszählung gebe es das Ergebnis erst in vier Tagen, hatte der Chef der Wahlkommission, Mohamed Chorfi, am Samstag gesagt. Eine für Sonntag geplante Pressekonferenz wurde verschoben. Die Wahlbeteiligung lag laut Chorfi bei 30,2 Prozent, das ist die niedrigste seit mindestens 20 Jahren.

Sollte sich der Sieg der oppositionellen Islamisten bestätigen, wäre dies keine Überraschung. Experten hatten bereits im Vorfeld der Wahl mit großen Verlusten für die etablierten Parteien Nationale Befreiungsfront (FLN) und Demokratische Nationalversammlung (RND) gerechnet.

407 Abgeordnete, fünf Jahre

Rund 24 Millionen Menschen waren am Samstag aufgerufen, 407 Abgeordnete für eine Amtszeit von fünf Jahren zu bestimmen. Die Abstimmung wurde im Vorfeld von Massenfestnahmen und Boykottaufrufen überschattet.

Die Protestbewegung Hirak und ein Teil der Opposition hatten ihre Anhänger dazu aufgerufen, der Abstimmung fernzubleiben. Die Hirak-Bewegung kritisierte die Parlamentswahl als "Augenwischerei". Sie fordert einen radikalen demokratischen Umbau des politischen Systems in Algerien und ging dafür in den vergangenen Monaten wieder wöchentlich auf die Straße.

Seit Mai gehen die Behörden in Algerien aber wieder verstärkt gegen die inzwischen verbotene Protestbewegung vor. In den vergangenen Wochen wurden hunderte Aktivisten festgenommen. Vor der Wahl wurden auch sieben führende Vertreter der Hirak-Bewegung inhaftiert.

Berichte über geplünderte Wahlurnen

Wie die Algerische Liga für die Verteidigung der Menschenrechte (LADDH) und die Organisation für die Rechte von Gefangenen CNLD mitteilten, blieben in den Oppositionshochburgen Bejaia und Tizi Ouzou in der überwiegend von ethnischen Berbern bewohnten Region Kabylei die meisten Wahllokale geschlossen. Dort seien auch Wahlurnen geplündert worden und Handgemenge ausgebrochen.

Nach Angaben der beiden Organisationen gab es in der Kabylei Dutzende Festnahmen. Laut CNLD wurden auch in Algier und in der nahegelegenen Stadt Boumerdès Menschen abgeführt.

Im Jahr 2019 hatte Hirak Hunderttausende Demonstranten mobilisiert und den langjährigen Staatschef Bouteflika zum Rücktritt gezwungen. Präsident Abdelmadjid Tebboune, der unter Bouteflika Regierungschef gewesen war, ist der Auffassung, die Hauptforderungen der Protestbewegung in "Rekordzeit" erfüllt zu haben. Hirak sieht dagegen weiterhin die alte Garde aus Bouteflika-Zeiten an der Macht.

(APA/AFP)

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