Bachmann-Preis: Jurorin Vea Kaiser will es besser machen

Vea Kaiser vor ihrer „Schreibstube“. 
Vea Kaiser vor ihrer „Schreibstube“. (c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Die österreichische Autorin - sie ist erstmals in der Jury - bereitet sich "wirklich intensiv vor“. Sie las viele hundert Einsendungen; fast alle waren pessimistische Texte.

Die 45. Tage der deutschsprachigen Literatur bringen ab Mittwoch auch in der Jury neue Gesichter: Die deutsche Literaturwissenschafterin Mara Delius (Jahrgang 1979) und die 32-jährige österreichische Autorin Vea Kaiser sind neu in der Runde, der neben Klaus Kastberger, Michael Wiederstein und Philipp Tingler auch Brigitte Schwens-Harrant und die neue Vorsitzende Insa Wilke angehören. "Zum dritten Mal nach 2003 und 2012 sind mehr Frauen als Männer in der Jury", jubelt Kaiser.

Die Klassische Philologin, der 2012 mit "Blasmusikpop" ein viel beachteter Einstieg in die Literaturszene gelang, nimmt ihre neue Aufgabe jedenfalls sehr ernst. "Das hat auch mit kollegialem Respekt zu tun. Hier werden ja an vier Tagen Weichen für die Zukunft gestellt", meint sie. "Ich war überrascht über das Angebot, denn ich bin ja noch nicht so lange dabei. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich es annehme. Dann habe ich mir aber gedacht, man kann nicht immer nur kritisieren, sondern muss auch, wenn sie sich bietet, die Gelegenheit ergreifen, es besser zu machen."

Genauer lesen, mehr lesen und kein „ich meine"

Was also will sie besser machen? "Ich bereite mich zum Beispiel wirklich intensiv vor. Oft habe ich mich als Zuschauerin geärgert, wenn Juroren die Texte meinem Empfinden nach nicht genau genug gelesen haben. Das wird mir nicht passieren." Zusätzlich hat sie sich nun alle erreichbaren bisher publizierten Bücher der Eingeladenen besorgt. "Ich bin ja eine perfektionistische Zwangsneurotikerin", lacht Kaiser. "Mein Motto lautet: Ganz oder gar nicht." Ein anderes Anliegen ist die Nachvollziehbarkeit der Argumentation am Text: "Statt 'ich meine' und 'ich finde' muss man jeden Einwand mit dem Text belegen können. In den Schreibwerkstätten, die ich bisher geleitet habe, bekam ich den Ruf einer Pingeligen, die auf Einzelheiten herumreiten kann, weil sie es so genau nimmt."

Welche Rolle sie in der siebenköpfigen Jury spielen wird, werde sich wohl erst herauskristallisieren. "Es ist sicher eine Runde, der bewusst ist, dass man im Fernsehen auch entertainen muss. Ich will ja gar nicht, dass alle einer Meinung sind - das würde zu unvorstellbarer Langeweile führen. Aber es kann schon sein, dass ich mich bei heftigen Angriffen auf die Seite der Autorinnen und Autoren stellen werde."

Von ihren beiden "Schützlingen" ist sie felsenfest überzeugt. Die niederösterreichische Autorin Magda Woitzuck, fünf Jahre älter als Kaiser, finde sie seit langem "ganz toll" und habe sie sofort vor Augen gehabt, als sie für die Jury angefragt wurde. "Das ist eine großartige Autorin, die bisher noch nicht den ganz großen Auftritt hatte." Während sie also bei Woitzuck selbst anklopfte, ging der deutsche Autor Leander Steinkopf als Sieger ihrer Lektüre der "vielen hundert Einsendungen" hervor, die sie erreichten. "Ich habe alle gelesen - und auch allen geantwortet", bekundet sie auch Gewissenhaftigkeit bei der Auswahl.

95 Prozent der Einsendungen pessimistische Texte

"Den Einsendungen hat man das Corona-Jahr angemerkt: 95 Prozent waren pessimistische Texte. Und erstaunlich viele haben die Tatsache, dass es sich um den prominentesten Literaturwettbewerb des deutschen Sprachraums handelt, ziemlich salopp genommen. Da waren Texte dabei, deren Rechtschreibung und Grammatik erkennen ließen, dass sie nicht einmal minimal korrekturgelesen waren."

Sie selber habe sich vor "Blasmusikpop" auch einmal beworben - "und war dann so beleidigt, dass ich nicht genommen wurde, dass ich mich nie wieder beworben habe", lacht die Autorin, die heute überzeugt ist, damals Glück gehabt zu haben: "Das wäre für mich viel zu früh gewesen und hätte in eine Katastrophe gemündet." Ohne zumindest minimale Erfahrung im Literaturbetrieb könne man schnell verheizt werden. Deshalb habe sie auch keine kompletten Newcomer eingeladen und auch jenen freundlich abgesagt, deren Texte sie gelungen fand, die aber noch nie vorher etwas publiziert hätten.

Nur die Jury ist wirklich anwesend

Sie selbst hat ihrem Erstling mit "Makarionissi oder die Insel der Seligen (2015) und "Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger" (2019) zwei weitere Romane folgen lassen, ist Zeitungskolumnistin und war zuletzt dreimal Gast im "Literarischen Quartett". Dass heuer in Klagenfurt nur die Jury vor Ort anwesend sein darf, Autorinnen und Autoren jedoch ebenso fehlen werden wie das Publikum, sieht sie pragmatisch: "Das ist halt jetzt so. Man muss sagen, dass die Organisatoren wirklich alles Menschenmögliche unternommen haben, dass der Bewerb überhaupt stattfinden kann. Seien wir froh darüber! Und ich glaube, dass es durchaus auch Autorinnen und Autoren gibt, die über diese Lösung gar nicht unglücklich sind." Glücklich ist jedenfalls Vea Kaiser. Auch darüber, dass sie sich in den kommenden Tagen noch einmal einer geballte Ladung intellektueller Auseinandersetzung aussetzen kann. In wenigen Wochen wird sie andere Prioritäten haben. Die Jurorin ist im siebenten Monat schwanger.

(APA)

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