Rechtsstaat

"Schlampiges Verhältnis zur Korruption"? Volksbegehren geht an den Start

Martin Kreutner, Michael Ikrath, Heinz Mayer, Christina Jilek und Heide Schmidt bei der Präsentation des Begehrens.
Martin Kreutner, Michael Ikrath, Heinz Mayer, Christina Jilek und Heide Schmidt bei der Präsentation des Begehrens.APA/HELMUT FOHRINGER
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Die zwölf Proponenten, die sich „seit vielen Jahren mit der grassierenden Korruption" im Land auseinandersetzen, wollen einen öffentlichen Diskurs anstoßen - über Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pressefreiheit.

„Wir sind Bürger und Bürgerinnen dieses Landes, die sich seit vielen Jahren mit Korruption und Korruptionsbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit und auch grassierender Korruption beschäftigen.“ Am Dienstag wurde das durch prominente Persönlichkeiten aus Justiz und Politik unterstützte Volksbegehren für Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption präsentiert. Am Podium waren etwa Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Ex-ÖVP-Mandatar Michael Ikrath und LIF-Gründerin Heide Schmidt. Erste Unterstützungserklärungen können in ein bis zwei Wochen abgegeben werden.

Eine angestrebte Unterstützerzahl nannte Martin Kreutner, früherer Leiter der internationalen Antikorruptionsakademie, nicht. "Es geht um ein qualitatives Ziel, wir wollen einen Diskussionsprozess auslösen", sagte er. Man vertrete weder Institution, Verein, Firma oder Partei - „wir haben auch nicht vor, eine Partei zu gründen“, betonte er. Aber es vereine die Initiatoren „die Sorge um den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, freier, unabhängiger Medien - und auch die Sorge um die zunehmend mangelnde politische Kultur“, so Kreutner.

„Korruption untergräbt Rechtsstaat“

Korruption würde die Demokratie unterwandern, die Reputation und nicht zuletzt den Wirtschaftsstandort Österreich, warnte Kreutner: „Es braucht dringend Reformen“. Die Bürger hätten ein Recht auf „Politiker mit Anstand“, führte er aus, die ihr Amt sowie „die Res Publica" achten und „mit hohen ethischen Maßstäben erfüllen" - und sich „nicht nur am Strafrecht orientieren." Deshalb habe man sich - nicht zuletzt angesichts der jüngsten Ereignisse - zusammengeschlossen, um ein Volksbegehren zu starten.

Am Podium stand bei der Präsentation neben Mayer, Ikrath, Schmidt und Kreutner auch die ehemalige Korruptionsstaatsanwältin Christina Jilek. Sie habe in ihrer Arbeit "Dinge gesehen, die ich in diesem Land nicht für möglich gehalten hätte", sagte sie. Dies hätte sie dazu veranlasst, sich „für eine starke Demokratie und einen starken Rechtsstaat“ einzusetzen. Aber heute sei nicht der Zeitpunkt, um über die Vergangenheit zu sprechen - dazu hätte sie im U-Ausschuss bereits ausführlich Stellung genommen. „Heute will ich in die Zukunft blicken und Lösungsansätze suchen, mir geht es um den sachlichen Diskurs“, so Jilek. Die Justiz müsse frei von politischem Einfluss arbeiten können, so ihr Anliegen. Denn: „Die Lebensader einer starken Demokratie und Rechtsstaates ist eine starke und unabhängige Justiz."

Fünf Themenblöcke, 72 Einzelmaßnahmen

Die weiteren Proponenten, teils bei der Pressekonferenz anwesend: der Steuerexperte Werner Doralt, Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler, Ex-WKStA-Chef Walter Geyer, Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss oder auch Politikwissenschafter Hubert Sickinger.

Gegliedert ist das Anliegen in fünf Themenblöcke, in denen es um mehr Anstand und Integrität in der Politik, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, eine moderne und umfassende Antikorruptions- und Transparenzgesetzgebung sowie um Pressefreiheit, Medienförderung und Bekämpfung der Inseratenkorruption geht.

Die Detailpapiere und Vorschläge umfassen in Summe 72 Einzelmaßnahmen. Finanziert wird die Initiative von den Einreichenden aus eigenen Mitteln, deutlich weniger als 100.000 Euro sollen ausgegeben worden sein. Auch eine Crowdfunding-Kampagne ist geplant.

Als "thematisch zivilgesellschaftlicher Ad-hoc-Zusammenschluss" bezeichnen sich die Proponenten
Als "thematisch zivilgesellschaftlicher Ad-hoc-Zusammenschluss" bezeichnen sich die ProponentenAPA/HELMUT FOHRINGER

Gewaltenteilung? Laut Mayer „Sand im Getriebe"

Mayer stellte in seiner Rede die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung in den Mittelpunkt. Wenn diese funktioniere - insbesondere die gegenseitige Kontrolle der verschiedenen Organe - „haben wir eine Chance, dass wir bürgerliche Freiheiten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesem Land haben.“ Aber, räumte er ein, man könne nicht verkennen, „dass hier Sand im Getriebe ist“. Der aktuelle U-Ausschuss habe gezeigt, wozu dieses Instrument imstande sei, wenn dort qualifizierte und konsequent arbeitende Abgeordnete am Werk seien. „Aber er hat auch gezeigt", so Mayer, „was alles möglich ist, wenn sich Abgeordnete und Mitglieder des U-Ausschusses nicht als Vertreter des Volkes, die sie eigentlich sind, sondern ausschließlich als Vertreter bestimmter Parteien gerieren“.

Darunter würde das Ansehen des Parlaments leiden, aber auch generell jenes der Politik und des Staates. Vor diesem Hintergrund forderte er eine Stärkung des Parlaments sowie Compliance-Regeln für den gesamten öffentlichen Bereich. Bei Verletzung müsste es Sanktionen geben.

Ikrath: „Schlampiges Verhältnis zur Korruption"

Jurist Ikrath kritisierte das seit Jahrzehnten bestehende schlampige Verhältnis zur Korruption in Österreich, das auch durch das schlechte Ergebnis für das Land in aktuellen Rankings untermauert werde. „Jetzt mag das von unseren Bürgern und Bürgerinnen nicht so registriert werden, weil sie sich schon an die schlampigen Verhältnisse gewöhnt haben oder der Meinung waren, dass es eh immer schon so war“, überlegte er. „Das ist verständlich. Bis zu einem gewissen Grad.“ Bei den verantwortlichen Politikern müssten aber die Alarmglocken schrillen. „Aber sie tun es nicht - oder sie handeln nicht. Diese Ignoranz ist völlig verantwortungslos und nicht mehr erträglich“. Schließlich würde immer mehr Unternehmen untersagt werden, in Länder zu investieren, „die über eine sehr laxe Antikorruptionsgesetzgebung verfügen und wo die Ermittlungsbehörden nicht effektiv handeln - oder so gehalten werden, dass sie nicht effektiv handeln können“. Dies treffe am Ende alle Österreicher, denn dadurch würden Investitionen ausbleiben, Arbeitsplätze verloren gehen und der Wirtschaftsstandort werde geschädigt.

Hier setze das Volksbegehren an, so Ikrath: „Wir wollen eine Gesetzgebung, die den Ermittlungsbehörden scharfe, spitze Zähne verleiht und nicht, wie das die Regierung offensichtlich tut, die Leine noch kürzer macht und ihnen dann noch einen Maulkorb umhängt."

Schmidt: „System entscheidend, in dem ich lebe"

Die frühere Dritte Nationalratspräsidentin Schmidt ging näher auf die Lebensqualität der Bürger ein. Diese würde ganz wesentlich mit dem System zusammenhängen, in dem sie leben. „Demokratie und Rechtsstaat, sie entscheiden darüber, wie man sich in einer Gesellschaft fühlen kann“. Aber, so ihre Sorge: „Ich fürchte, dass die meisten das nicht realisieren oder wahrhaben wollen."

Außerdem habe sie den Eindruck, „dass hier in Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsfragen vieles rutscht“. Das Volksbegehren sei ein tauglicher Akt, hier eine Bewusstseinsbildung in Gang zu setzen. Außerdem würde darin auch die Mediensituation thematisiert. Unabhängige Medien seien entscheidend für die Stimmung und das Bewusstsein in der Bevölkerung. „Was Menschen hören, sehen, lesen - es beeinflusst sie“. Gefragt ist an diesem Punkt auch die staatliche Verantwortung, so Schmidt, konkret, wie Medien gefördert und vor Einflussnahmen geschützt werden.

Unterstützung von Grünen und Neos

Auf Regierungsseite wurde das Volksbegehren vorsichtig positiv aufgenommen, wobei die Unterstützung eher von den Grünen kam. "Ich habe den Eindruck oder den positiven Verdacht, dass ich das mit den Zielen, die ich persönlich verfolge, gut in Deckung bringen kann", sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zum Volksbegehren am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Er werde jedenfalls das Gespräch mit den Initiatorinnen und Initiatoren suchen, "einige kenne ich ja bekanntermaßen sehr gut". Ob er das Volksbegehren unterschreiben werde, weiß Kogler nach eigenen Angaben noch nicht. Es sei jedenfalls ein ungewöhnlicher Vorgang, es sei aber auch "nicht angelegt in der Realverfassung, dass Parteien oder Regierungspolitiker unmittelbar Volksbegehren unterstützen müssen". Wichtig sei, dass das Thema behandelt wird, aber er müsse sich erst ein umfassendes Bild machen.

Blümel sagte, "wir werden uns intensiv mit den Ergebnissen beschäftigen". Ob er das Volksbegehren unterschreiben wird, wollte Blümel nicht beantworten, "ich sehe es als meine Aufgabe in der Regierung als aktiver Politiker, mich sehr genau mit den Forderungen auseinanderzusetzen", die Diskussion zu beobachten und allenfalls entsprechende Maßnahmen zu setzen.

„Eindeutiger Auftrag, den Rechtsstaat zu stärken"

Noch deutlicher als von Kogler kam die positive Rückmeldung aus dem Parlamentsklub seiner Partei. "Wir Grüne sehen dieses Volksbegehren als klare Bestätigung unserer Positionen - es ist ein eindeutiger Auftrag, den Rechtsstaat zu stärken und eine unabhängige Justiz zu unterstützen", so Justiz- und Verfassungssprecherin Agnes Sirkka Prammer in einer Aussendung.

Seitens der Opposition kam "vollste Unterstützung" von den Neos. "Selbst die ÖVP kann sich nun nicht mehr wegducken. Hier appellieren angesehene Persönlichkeiten aus der Mitte der Gesellschaft an die Politik und uns alle, denn wie es momentan in diesem Land läuft, kann es nicht mehr weitergehen", erklärte Klub-Vize Nikolaus Scherak.

>>> Zur Homepage des Volksbegehrens

(APA/Red.)

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