Eva Komarek (Styria) diskutierte mit Tamara Albrecht, Kapitalmarktexpertin, Robert Ulm, CEO Hello bank!, Larissa Kravitz, Finanzexpertin und Gründerin von Investorella, und Andrea Lang, Bereichsleitung Marketing und Verkauf sowie Unternehmenssprecherin der Münze Österreich.
Diskussion

Die Einstiegshürden sind noch immer zu hoch

Diskussion. Frauen liegen leichter dem Irrglauben auf, erst als Expertin in alternative Anlageformen investieren zu können, dabei genügt für den Start bei langfristigen Veranlagungen Basiswissen.

In der zweiten Talk-Runde anlässlich der „Presse“-Initiative „fPlus – Frauen und Finanzen“ stand das Thema „Keine Angst vor Wertpapieren“ im Fokus. Wie bereits in der ersten Runde leitete wieder Eva Komarek, General Editor for Trend Topics (Styria), durch die Diskussion und begrüßte dieses Mal Larissa Kravitz, Finanzexpertin und Gründerin von Investorella, dem Portal für Finanzbildung für Frauen, Andrea Lang, Bereichsleitung Marketing und Verkauf und Unternehmenssprecherin der Münze Österreich, Tamara Albrecht, selbständige Unternehmensberaterin, Lehrbeauftragte und Trainerin an der Wiener Börse Akademie mit dem Themenschwerpunkt Kapitalmarkt, und last, but not least Robert Ulm, CEO der Hello bank!

Langsam greifen die Initiativen, Frauen zu mündigen Anlegerinnen zu machen, berichten die Diskussionsteilnehmer des Round Tables. Tamara Albrecht machte den Anfang. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung am Kapitalmarkt. „Immer mehr Frauen begreifen, dass sie beim klassischen Sparbuch nicht nur keinen Vermögenszuwachs durch Nullzinsen haben, sondern einen realen Wertverlust hinnehmen müssen.“ Diese Erkenntnis sei der erste Schritt, in andere Assetklassen zu investieren. Albrecht berät in ihren Workshops Frauen aller Altersstufen, begonnen von der Studentin bis zur Pensionistin. „Bei allen muss ich zuerst die Angst vorm Investment nehmen.“ Viele Frauen glauben, sie müssten Expertinnen sein, um abseits des Sparbuchs in alternative Anlageformen zu investieren. Vor allem gegenüber Aktien und Anleihen seien die Berührungsängste groß. „Die Grundkenntnisse hat man relativ schnell erlernt und man kann sofort loslegen“, sagte Albrecht.

Vor allem, wenn man nicht zocken will, sondern an langfristiger Veranlagung interessiert ist, reiche für den Einstieg Basiswissen. Auch Robert Ulm beobachtet eine gewisse Zögerlichkeit bei Frauen. „Es gibt eine eiserne Regel: Gier und Angst sind schlechte Berater am Finanzmarkt. Während bei Männern eher die Gier das Problem darstellt, ist es bei den Frauen die Angst.“ Dennoch ist er erfreut, dass immer mehr Frauen die Hello bank! für sich entdecken.

»„Wenn man zwei Assetklassen halbwegs versteht, Aktien und Anleihen, dann kann man theoretisch schon loslegen.“«

Tamara Albrecht, Unternehmensberaterin

Zurückhaltung der Frauen

Insgesamt ist der Frauen-Durchschnitt aber noch beschämend gering. „Wir sprechen von einer Steigerung von fünf bis zehn Prozent. Das ist noch immer viel zu wenig.“ Ulm versteht diese Zögerlichkeit der Frauen nicht, denn selten gibt es Bereiche, bei denen die Geschlechter gleichberechtigter sind. „Frauen sind an der Börse nicht benachteiligt gegenüber dem Mann. Die Chancen und Risiken sind für beide gleich.“

Wer sich erst einmal in der Börse wohlfühlt, lässt sich auch vor fallenden Kursen nicht nervös machen. Die Geschichte demonstriert, dass sich die Kurse nach Crashes immer rascher erholen. Um sich diese Sicherheit zu holen, bedarf es Finanzwissen. Die Basics kriegt man oftmals kostenlos und teilweise sehr gut aufbereitet über die unterschiedlichsten Kanäle, von der „Presse“ bis zur Hello bank! Akademie. „Das Wichtigste für den Einstieg ist, sich mit den Werkzeugen zu beschäftigen, die man fürs Anlegen benötigt“, sagte Ulm. „Viele Tools sind nicht selbsterklärend und setzen voraus, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt.“

Larissa Kravitz schilderte, dass sich Frauen eine persönliche Beratung wünschen, um bei den Stolpersteinen sicherer zu werden. Welche Stolpersteine dabei zum Vorschein kommen, überrascht selbst die routinierte Branchen-Insiderin. „Ein typischer Stolperstein ist etwa die Risikoklassifizierung bei den Brokern“, sagte Kravitz. „Frauen, die aus Gründen der Altersvorsorge an die Börse gehen, wollen in erster Linie Sicherheit. Ständig plagt sie die Angst, ob der Sicherheitsgrad auch wirklich hoch genug ist.“ Auch hier braucht es Beruhigung. „Wer langfristig veranlagt, muss nicht jeden Tag die Börsenkurse checken“, so Kravitz.

Beim Veranlagen taucht manchmal ein anderes Phänomen auf, das Kravitz Kopfzerbrechen bereitet: „Ich nehme bei Frauen einen gewissen Herdentrieb wahr. Meine Sorge ist, dass die Investorinnen nur darauf achten, was andere Traderinnen machen und dabei auf entscheidende Faktoren vergessen wie etwa auf die Diversifizierung.“ Ulm beruhigte, dass der Herdentrieb bei Männern wesentlich ausgeprägter sei. „Wenn der Nachbar Bitcoins hat und damit prahlt, dann kauft man sich ein, egal ob man sich damit auskennt oder nicht. Dieses Problem sehe ich bei weiblichen Anlegerinnen nicht.“ Im Gegenteil: Frauen sind extrem perfektionistisch und vorsichtig. Beim Vergleich der Produkte machen Frauen häufig eine Wissenschaft daraus. „Das Risiko ist hoch, sich zu verrennen“, meinte Albrecht.

Frauen zocken weniger

Aus Kundenbefragungen weiß die Münze Österreich: „Frauen sind sehr informiert. Wenn sie ein Investment angehen, ist das sehr strukturiert“, sagte Andrea Lang. „Zudem zeigen Studien, dass Frauen nicht emotional investieren. Im Unterschied zu Männern geht es Frauen bei den Entscheidungen um Fakten. Sie achten auf Performance und Kennzahlen. Männer lassen sich gern emotional leiten.“ Lang verglich es mit dem Autokauf – während für Männer Marke, Schnittigkeit und PS kaufentscheidend sind, stehen bei Frauen die Verbrauchszahlen im Vordergrund.

„Das bringt auch eine größere Offenheit für nachhaltige Fonds. Bei Männern lautet die Devise: ‚going for money‘, egal welche Fonds, Hauptsache gute Performance. Frauen wollen, dass mit ihrem Geld Gutes getan wird und deshalb boomen unter anderem grüne Fonds“, sagte Ulm. Junges Klientel ticke hier ähnlich wie Frauen. „Sie nehmen sogar weniger Rendite in Kauf, wenn Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden.“ Nicht ohne Grund schießen ESG-Portale der Reihe nach aus dem Boden. Hier raten die Experten dazu, sich genau anzusehen, welchen Portalen man sich anvertraut. Kravitz äußerte noch die Sorge vor Bubbles, wenn zu intensiv in spezielle Nachhaltigkeitsfonds investiert wird. „Auch wenn uns das Thema Nachhaltigkeit garantiert noch Jahrzehnte begleitet, kann es kurzfristig zu Nachhaltigkeits-Bubbles kommen, und deshalb sollte auch hier das Motto lauten, sich breit aufzustellen.“ Gerade junge Investoren neigen zu einseitigen Investments in Zukunftsthemen. Platzen Blasen, könnte das die Neo-Investoren verschrecken.

Die Empfehlungen für eine Veranlagung, die sicher, nachhaltig und gleichzeitig unterhaltsam ist: 15– 20 Prozent in Zukunftsthemen wie etwa Clean Energy, Cyber Security usw., ein Teil in Unternehmensanleihen (Corporate Bonds). Wer sich in der Materie schon etwas besser auskennt, kann bis zu zehn Prozent in Anlagen stecken, die Spaß machen. Darunter fallen etwa Crowdfunding-Projekte und Kryptowährung.

»„Frauen und junge Investoren wollen in nachhaltige Fonds investieren und der
Gesellschaft und Umwelt
einen Teil zurückzugeben.“«

Robert Ulm, Hello bank!

Vorsicht versus Risiko

Die Hello bank! hat sich in einer Studie angesehen, wie das Anlageverhalten zwischen den Geschlechtern und Generationen aussieht. Ergebnis: Männer sind aktienlastiger und die Handelsaktivität ist drei Mal so hoch wie bei Frauen. „Die Studie zeigt auch deutlich, dass sich immer mehr junge Menschen, unabhängig vom Geschlecht, für alternative Anlageformen interessieren“, sagte Ulm. In der Pandemie eignete sich die Next Generation überraschend viel Finanzwissen an. Bei allem Lob bestehe die Gefahr, dass die Jugend Hypes folgt und die Risiken unterschätzt. Zum Beispiel springen sehr viele junge Menschen auf den Kryptowährungsboom auf, ohne die Anlagen zu hinterfragen.

Die Vorsicht im Investment ist somit durchaus eine gute Strategie. Laut Statistiken sind Frauen an der Börse erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen. Ulm beschrieb es sehr plakativ: „Frauen sind beratungsintensiver, Männer hingegen risikoresistent.“ Das gehe auf die alte Rollenverteilung zurück. „Die Frau war immer für die Sicherheit der Kinder zuständig, während der Mann in den Krieg zog. Diese Rollen sind noch in uns und lassen sich nicht so einfach abschütteln.“

Frauen brauchen Praxis

Männer tendieren zu Learning by Doing. Empfehlenswert ist daher, dass interessierte Frauen Investment-Workshops besuchen. Das Angebot wird immer reichhaltiger. Hier lernen die Teilnehmerinnen, auf welche Indikatoren sie achten müssen. Mit der Übung kommt die Sicherheit. Einen optimalen Zeitpunkt fürs Investieren gibt es nicht.

Erschreckend war der Erfahrungsbericht von Larissa Kravitz. Demnach benötigt es rund ein Jahr, bis Frauen von der Depoteröffnung tatsächlich zu handeln beginnen. Einen Ausweg sieht Kravitz in Peergroups. „Der Austausch unter den Frauen ist wichtig. Denn trotz all der tollen Initiativen zur Finanzbildung werden niemals alle erreicht. Daher ist es wichtig, dass Frauen beginnen, über Geld und Veranlagung zu diskutieren.“ Anders ausgedrückt: Es muss cool werden, über Investment zu reden. Je unterhaltsamer, desto besser der Effekt.

Mehr dazu: www.hellobank.at & www.muenzeoesterreich.at

Information

Der Round Table fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Münze Österreich und Hello bank!

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Selbst Zocker setzen auf Sparpläne

Investments. Damit für langfristige Veranlagungen Geld zur Verfügung steht, bedarf es einen Mindchange – vor allem bei Frauen und der Jugend.
Die Experten empfehlen sehr breit zu veranlagen – optimalerweise in ETFs.
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ETFs sind für langfristige Veranlagung gute Wahl

Alternative Anlageformen. Deutlich mehr Frauen als Männer setzen noch immer auf das Sparbuch, aber es gibt gute alternative Veranlagungen für Personen, die auf Nummer sicher gehen wollen.

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