Belarus

Protassewitschs Mutter hält Auftritt in Pressekonferenz für erzwungen

Erneut war Protassewitsch im belarussischen Fernsehen zu sehen, wo er beteuerte, nicht unter Druck gesetzt worden zu sein.
Erneut war Protassewitsch im belarussischen Fernsehen zu sehen, wo er beteuerte, nicht unter Druck gesetzt worden zu sein.APA/AFP/STRINGER
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Der Blogger verbreitete bei der Pressekonferenz des Minsker Regimes auch Propaganda über einen österreichischen Prozess gegen eine Staatsverweigerin.

Der Auftritt des inhaftierten Bloggers Roman Protassewitsch bei einer Pressekonferenz der belarussischen Behörden war nach Ansicht seiner Mutter erzwungen. Ihr Sohn stehe unter starkem emotionalen und psychischen Druck, sagte Natalia Protassewitsch am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Er setzt eine Maske auf, um sich und seiner Freundin das Leben zu retten."

Im Gegensatz zu zwei zuvor veröffentlichten Videoaufnahmen habe sie zwar dieses Mal in seinem Gesicht keine Spuren von Gewaltanwendung entdecken können. "Aber er wirkte niedergeschlagen, zwinkerte nervös. Es ist klar, dass man ihn sehr stark droht", sagte die 46-Jährige, die mit ihrem Mann im Exil in Polen lebt.

Die belarussischen Behörden hatten den 26-Jährigen am Montag in Minsk wie zuvor schon im Staatsfernsehen vorgeführt, dieses Mal in einer Pressekonferenz. Protassewitsch gab an, er fühle sich ausgezeichnet und werde in Haft nicht misshandelt. "Mam, Pap, sorgt Euch nicht. Mit mir ist alles völlig in Ordnung", sagte er in Richtung seiner Eltern. Die Mutter schenkt dem aber keinen Glauben.

Britische Regierung fordert Freilassung

Zuvor hatte auch die britische Regierung die Pressekonferenz der Behörden mit dem Blogger scharf kritisiert. "Die andauernde Misshandlung des Journalisten Roman Protassewitsch in Belarus ist inakzeptabel", twitterte Außenminister Dominic Raab am Dienstag. "Die gestrige Pressekonferenz, bei der Roman eindeutig unter Zwang gehandelt hat, markiert einen neuen Tiefpunkt der Angriffe des Regimes von (Machthaber Alexander) Lukaschenko auf die Menschenrechte", so Raab. Er forderte, Protassewitsch freizulassen und die Pressefreiheit zu verteidigen.

Protassewitsch reproduzierte bei der Pressekonferenz auch Propaganda des belarussischen Regimes mit Österreich-Bezug zur Abwertung der demokratischen Opposition. So sagte er, dass ihn das Vorgehen der Opposition an das Verhalten der wegen "versuchten Aufstands" zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten österreichischen Staatsverweigerin Monika U. erinnere.

Vergleich „an Absurdität nicht zu überbieten"

Das Außenministerium in Wien übte scharfe Kritik an den Aussagen des Bloggers. "Einen Vergleich herzustellen zwischen dem demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Umgang des belarussischen Regimes mit einer Protagonistin der belarussischen Zivilgesellschaft und dem erstinstanzlichen Urteil eines österreichischen Gerichts gegen eine deklarierte Staatsverweigerin ist an Absurdität nicht zu überbieten", erklärte ein Sprecher des Ministeriums in einer Stellungnahme. Dieser Versuch, das eigene staatspolitische Handeln zu rechtfertigen, sei leicht zu durchschauen und werde letztendlich erfolglos bleiben, betonte er.

Vor drei Wochen hatten die Behörden des autoritär geführten Landes eine Ryanair-Passagiermaschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. An Bord waren der Regierungskritiker Protassewitsch, Mitgründer des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta, und seine Freundin Sofia Sapega. Beide wurden festgenommen. Die EU, Großbritannien und die USA verhängten daraufhin erneut Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik.

Pilot der Ryanair-Maschine unter Druck gesetzt

Der Ryanair-Chef, Michael O'Leary, kritisierte die erzwungene Landung am Dienstag vor einem Ausschuss des britischen Parlaments in London als "vorsätzlichen Verstoß gegen alle internationalen Luftfahrtvorschriften, wie die Nachrichtenagentur PA berichtete. Zuvor schon hatte der 60-Jährige von einer "staatlich gesponserten Entführung" durch Belarus gesprochen.

Der Pilot der Maschine sei mit irreführenden Angaben von den Luftverkehrsbehörden in Minsk unter Druck gesetzt worden, berichtete O'Leary. Crew und Passagiere hätten dann stundenlang in einem "bedrohlichen und feindlichen" Umfeld ausharren müssen. Der Konzernchef sprach sich trotzdem gegen die dauerhafte Vermeidung des Luftraums über Belarus für ausländische Fluggesellschaften aus. Dies führe zu längeren Flügen und sei nicht im Interesse der Passagiere.

Die EU hatte Ende Mai die europäischen Fluggesellschaften aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. Anfang Juni beschloss Brüssel außerdem, den eigenen Luftraum für belarussische Fluggesellschaften vorerst zu schließen.

(APA/dpa)

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