Gipfeltreffen

Putin und Biden: Kühler Handshake am Genfer See

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Der Gipfel der niedrigen Erwartungen hat begonnen. Dennoch sind für das Treffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin fünf Stunden anberaumt. Am Abend wollen beide Präsidenten getrennt vor die Presse treten.

In der mit russischen und US-Flaggen geschmückten Schweizer Stadt Genf sind die Präsidenten Russlands und der Vereinigten Staaten aufeinander getroffen. Zum Auftakt des US-Russland-Gipfels schüttelten Wladimir Putin und Joe Biden einander vor der Villa La Grange am Ufer des Genfer Sees die Hand. Für das Treffen der beiden Staatschefs sind rund fünf Stunden angebraumt

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow schloss am Mittwoch nicht aus, dass das Gespräch zwischen den beiden Staatschefs auch länger dauern könnte als zunächst geplant. Die Tagesordnung sei so komplex, dass es schwierig sei, sie in vier- bis fünfstündigen Gesprächen zusammenzufassen, so Peskow im Staatsfernsehen. Allein die beiden Präsidenten würden entscheiden, wie lange sie miteinander reden. "Die Hauptsache ist die Frage der Zweckmäßigkeit", meinte der Kreml-Sprecher.

Mehr zum Thema in unserem heutigen Podcast:

Thomas Vieregge aus der Außenpolitik der „Presse“ spricht mit Anna Wallner über Bidens erste Auslandsreise als US-Präsident, seine Wurzeln in Europa und was von seinem Treffen mit Putin zu erwarten ist.

Im Westen wird die Politik Moskaus zunehmend kritisiert. Allerdings wollen die Präsidenten der beiden größten Atommächte auch über gemeinsame Interessen sprechen. Geplant sind in der Villa La Grange etwa Gespräche über die strategische Stabilität auf der Welt. Experten erwarten, dass Putin und Biden neue Verhandlungen für eine atomare Abrüstung und für eine Kontrolle der Waffenarsenale anstoßen könnten.

Erste Gesprächsrunde im kleinen Kreis beendet

Die erste Gesprächsrunde verlief im kleineren Kreis. Aus dem Weißen Haus hieß es am Mittwoch, das Gespräch der beiden Präsidenten mit ihren Außenministern, Antony Blinken und Sergej Lawrow, plus Übersetzern habe 93 Minuten gedauert. Nach Angaben von Kremlsprecher Peskow waren für dieses Format im Protokoll 75 Minuten vorgesehen gewesen.

In einer zweiten Runde wollten Biden und Putin nach einer Pause mit einem erweiterten Kreis ihrer Delegationen zusammenkommen. Daran sollten von russischer Seite Lawrow, der Botschafter Anatoli Antonow, Generalstabschef Waleri Gerassimow und der Vizechef der Präsidialverwaltung, Dmitri Kosak, der auch für den Ukraine-Konflikt zuständig ist, teilnehmen. Auch Putins Sonderbeauftragter für Syrien, Alexander Lawrentjew, soll dabei sein.

Rückkehr der Botschafter?

Bei dem Treffen geht es Peskow zufolge auch um eine mögliche Rückkehr der jeweiligen Botschafter nach Moskau und Washington. Russland hatte seinen Botschafter wegen Bidens "Killer"-Äußerung über Putin abgezogen und später den US-Botschafter im Zuge neuer "antirussischer Sanktionen" aufgefordert, in seine Heimat zurückzukehren.

Themen sind nach Angaben beider Seiten außerdem die Konflikte in
Afghanistan, Libyen, Syrien und der Streit um die Atomprogramme im
Iran und in Nordkorea. Am Abend wollen Biden und Putin getrennt vor die Presse treten. Die Russen hatten sich eigentlich eine gemeinsame Pressekonferenz gewünscht, doch die amerikanische Delegation hatte dies abgelehnt.

Biden hatte angekündigt, nicht zuletzt Kritik an den zunehmenden Repressionen und Menschenrechtsverletzungen in Russland zu üben.
Washington vermutet Moskau zudem hinter Cyberangriffen auf US-Einrichtungen und wirft Russland eine Einmischung in die US-Wahlen vor. Russland weist diese Anschuldigungen zurück. Putin und Biden sehen das von zahlreichen Sanktionen überschattete Verhältnis ihrer Länder übereinstimmend auf einem "Tiefpunkt".

Kein Essen, keine gemeinsamen Pausen

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SWITZERLAND-US-RUSSIA-SUMMIT-DIPLOMACYAPA/AFP/POOL/ALESSANDRO DELLA VA

Putin traf erst am Mittwoch in Genf ein, Biden war bereits am Dienstag angereist. Auch die russische Delegation mit Diplomaten und Journalisten war am Dienstag angekommen, musste aber im Luftraum über Genf kreisen, bis Bidens Flugzeug abgefertigt war.Putin hatte auf die geplante offizielle Begrüßung durch den Schweizer Präsidenten, Guy Parmelin, auf dem Flughafen verzichtet und fuhr direkt zur Villa La Grange, wo das mit Spannung erwartete Biden-Putin-Treffen um 13.30 Uhr startete. Parmelin begrüßte Putin direkt vor der Villa in der Innenstadt. Nach einem kurzen Händedruck und nachdem sie ein paar wenige Worte gewechselt hatten, führte Parmelin Putin ins Tagungsgebäude. Die Villa oberhalb des Genfer Sees ist keine zehn Kilometer vom Flughafen entfernt. Die Autokolonne muss durch das Stadtzentrum von Genf fahren. Der Verkehr war dort praktisch völlig lahmgelegt.

Parmelin hieß anschließend die beiden Staatschefs in der "Stadt des Friedens" willkommen. Er wünsche den Präsidenten einen fruchtbaren Dialog, im Interesse der beiden Länder und der gesamten Welt. "Alles Gute", sagte Parmelin und richtete danach noch kurze Worte auf Russisch und Englisch an Putin und Biden. Letzteren hatte Parmelin schon am Vortag getroffen und am Mittwoch nach Putin in der Villa begrüßt.

Beide Präsidenten wollten am Abend die Heimreise antreten. Selbst ein gemeinsames Abendessen war zunächst nicht vorgesehen. Es gab keine Pläne für irgendwelche Mahlzeiten in der Villa La Grange. Die geplanten Pausen wollten die Staatschef getrennt verbringen.

„Rote Linien“ auf beiden Seiten

Der US-Präsident hatte sich in den vergangenen Tagen bei Verbündeten bei der G7-Gruppe wichtiger Industriestaaten, bei der Nato und bei der EU der Unterstützung für sein Treffen mit Putin versichert. "Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet", sagte Biden am Montagabend nach dem Nato-Gipfel in Brüssel. "Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, klarmachen, was die roten Linien sind."

Von „roten Linien“ sprach auch Präsident Putin zuletzt wiederholt. Für Moskau zählt dazu ein Nato-Beitritt der Ukraine, die dem Westen vorgeworfene Einmischung in Belarus oder andere Agenden, die die inneren Angelegenheiten Russlands betreffen. 

Sanktionen und Handelsbeziehungen

Ein US-Regierungsvertreter sagte, viele konkrete Ergebnisse seien von dem Gipfel nicht zu erwarten. Auch Peskow warnte vor überzogenen Erwartungen etwa an einen inzwischen viel diskutierten Austausch von inhaftierten russischen Staatsbürgern in den USA mit US-Bürgern in Moskauer Haft. Es sei voreilig, darüber zu sprechen, bevor die beiden Staatschefs das Thema wirklich berührten bei ihrem Gipfel.

Nach einer Kreml-Mitteilung wollen Putin und Biden Schlüsselfragen der bilateralen Zusammenarbeit klären. Die Beziehungen seien in einem "nicht zufriedenstellenden Zustand". In vielen Bereichen gebe es gar keinen Kontakt mehr. Der Kreml verwies zudem darauf, dass die USA 2017 Russland offiziell zu ihrem "Gegner“ und zur "Hauptgefahr für die nationale Sicherheit" erklärt und seither immer wieder Anschuldigungen erhoben hätten.

Seit 2011 seien 96 Mal US-Sanktionen gegen Russland eingeführt worden, darunter dreimal unter Biden, hieß es. Moskau habe trotzdem
immer wieder die Bereitschaft zum Dialog unter Wertschätzung gegenseitiger Interessen angeboten. "Wir gehen davon aus, dass die
Normalisierung der bilateralen Beziehungen für beide Seiten
gleichermaßen notwendig ist."

Bei dem Treffen solle es auch um Perspektiven des russisch amerikanischen Handels gehen. Nach Kreml-Angaben setzen viele US Unternehmen ungeachtet der Sanktionen und Spannungen weiter auf den russischen Markt. Allein beim St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum seien Anfang Juni mehr als 200 US-Unternehmer gewesen. Zudem seien 3.000 Firmen mit US-Kapital in Russland tätig.

(APA/dpa/red.)

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