Nationalrat

Unspektakulärer Start in die Plenarwoche

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)APA/ROLAND SCHLAGER
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Eröffnet wurde die Sitzung mit einer "Aktuellen Stunde“ zum „Comeback des österreichischen Tourismus“. Ginge es nach der Opposition, hätte aber viel eher über die Ministeranklage gegen Gernot Blümel diskutiert werden sollen.

Den Auftakt in die vorletzte Plenarwoche im Nationalrat vor der Sommerpause könnte man als „mäßig aufregend“ bezeichnen. Die Themen-Palette für die kommenden Sitzungstage war breit, ein Großteil davon thematisierte freilich die Corona-Pandemie und aktuelle Maßnahmen. Doch etwas war doch anders als in den Wochen und Monaten davor: Erstmals seit langem konnten wieder Zuseher vor Ort den Debatten folgen. Auf der Tribüne wurden 40 der rund 100 Plätze freigegeben. Gebraucht wurden sie fürs erste bei weitem nicht zur Gänze.

Im Rahmen der "Aktuellen Stunde" wurde erörtert, ob nun der Neustart des Tourismus gelungen sei, und bei der "Aktuellen Europastunde" ging es um europäische Solidarität und eine vermeintliche Abschaffung des Bargelds, vor der die FPÖ warnte. Indes wird hinter den Kulissen über eine Ausweitung des 500-Euro-Coronabonus verhandelt.

Wie auch die Tageszeitung "Der Standard" berichtet, dürfte der Bezieherkreis größer werden. Aktuellen Plänen zufolge würden ja nur Ärzte und Pflegende, nicht aber beispielsweise Sanitäter profitieren. Über Details wurde in Koalitionskreisen aber noch geschwiegen. Der Beschluss steht ohnehin erst morgen an und der Antrag dürfte auch heute nicht mehr finalisiert werden. Die SPÖ forderte indes bereits im Plenum mit Tafeln und Plakaten den "Corona-Bonus für alle". Das taten auch die Gewerkschaften GPA, younion und vida mit einer Protestaktion vor dem Hohen Haus.

„Aktuelle Stunde“ zu Tourismus und Europa

Eröffnet wurde die Sitzung mit einer "Aktuellen Stunde", die die ÖVP unter das Motto "Sichere Gastfreundschaft: Comeback des österreichischen Tourismus" gestellt hatte. Optimistische Worte gab es darin von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die sich über Österreichs Umgang mit der Corona-Pandemie freute. „Die Stimmung in der Branche und der Bevölkerung steigt mit jedem Tag, der heimische Tourismus steht mitten in einem erfolgreichen Comeback“, so die Ministerin. Lob gab es auch für den "Grünen Pass“ und dessen Umsetzung - was die Opposition durchaus anders sah.

In der "Aktuellen Europastunde" sprach die FPÖ in Person von Petra Steger nicht nur gegen die Schuldenunion an, sondern warnte auch vor einer Beschränkung des Bargelds, was den Freiheitlichen den Vorwurf des Grünen-Mandatars Michel Reimon einbrachte, die "Schwarzgeld-Mafia" schützen zu wollen: "Ihr seid noch immer die Oligarchinnen-Partei." Dass die EU die bürgerlichen Freiheiten bedrohe, wies der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka, zurück. Im Gegenteil gefährdeten freiheitliche Schwesterparteien wie jene in Polen die Freiheit.

Für europäische Sozialstandards wie einen Mindestlohn warb wiederum der stellvertretende Klubchef der SPÖ Jörg Leichtfried. Neos-EU-Mandatarin Claudia Gamon richtete der FPÖ aus, wer glaube, Österreich wäre ohne EU besser aus der Coronakrise gekommen, lebe am Mond, und hielt der ÖVP vor, auf europäischer Ebene selbst nur klein zu denken. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) konzentrierte sich darauf, Österreichs erfolgreichen Weg aus der Krise zu schildern und der Bevölkerung zu versichern: "Wir können getrost sagen, dass wir das Schlimmste hinter uns haben."

Einwendungsdebatte gegen Tagesordnung

Bis das eigentliche Programm beginnen konnte, war dann noch eine sogenannte Einwendungsdebatte zu überstehen. Denn ungewöhnlicherweise hatten sich die Parteien nicht gemeinsam auf eine Tagesordnung verständigen können. Grund: Vor allem SPÖ und Freiheitlichen wollten gleich zu Beginn über die bereits im Ausschuss gescheiterte Ministeranklage gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) reden. Die Koalition hatte dagegen Europaerklärungen ansetzen lassen, die noch davor stattfinden sollten. Darüber wurde eine Dreiviertelstunde gestritten.

„Jeder weiß, dass die Zuschauerzahlen ab 13:00 Uhr sinken“, so etwa FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst, man habe die Debatte um die Ministeranklage genau deswegen „bewusst auf nach 13:00 Uhr platziert.“ Dieser Meinung war auch Parteikollegin Dagmar Belakowitsch. Das Thema, das die Österreicher besonders brennend interessiere, nämlich ebendiese Verhandlung, „wurde nach hinten verräumt - die findet statt, wenn sie schon im Schwimmbad sind.“ Und Kai Jan Krainer von der SPÖ: „Es geht Ihnen darum, die Debatte über Blümel zu verschieben, die Causa zu verstecken, weil Sie sich offenbar für sein Verhalten genieren - und das tun Sie zurecht“, meinte er in Richtung der ÖVP. Mithilfe der Grünen würde die Debatte um die Ministeranklage „am liebsten nach Mitternacht verschoben“ - nur ginge das „halt nicht so leicht“. Die wollten das so nicht stehen lassen: „Es geht um eineinhalb Stunden“, kalmierte Klubchefin Sigrid Maurer, „die Debatte, die Sie haben wollen, wird mitten am Tag stattfinden. Aber was Sie abziehen, ist eine Show wegen eineinhalb Stunden. Sie sind es, die nun für Verzögerung sorgen.“ Ein Verhalten, das sie als „kindisch und ein bisschen beschämend“ bezeichnet. „Die Oppositoinsparteien pochen immer darauf, dass die Usancen des Hauses eingehalten werden - zurecht“, so solle man sich aber auch an die gemeinsam festgelegte Tagesordnung halten.

Geändert wurde das Programm nicht mehr, die Opposition hatte aber über die Hintertür Einwendungsdebatte das Thema Blümel doch noch zu einer vermeintlich besseren Fernsehzeit auf die Agenda gebracht.

Edtstadler: „Europa steht für mich an erster Stelle"

Wie denn eine Diskussion über Europa als „Ablenkung“ oder als „Provokation“ gesehen werden kann, fragte sich Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) dann zu Beginn der Europadebatte, in der es um die dieser Tage beginnende Konferenz zur Zukunft Europas ging. „Für mich steht Europa an erster Stelle“, betonte die Ministerin und stellte dabei ihr Europäertum in den Vordergrund, kritisierte aber gleichzeitig, "dass diese Europäische Union einer Baustelle gleicht". Die Wirtschaft dürfe nicht länger gehemmt werden, es brauche ein Bekenntnis zum Freihandel, die Westbalkan-Staaten müssten in die Union geholt und illegale Migration entschlossen beendet werden, forderte sie.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) erinnerte an ihre prägenden Jahre in Brüssel und sprach sich dafür aus, die EU fair, nachhaltig und ressourcenerhaltend auszurichten. Es brauche politische und gesellschaftliche Modelle, die das Vertrauen in dieses Jahrhundertprojekt wieder stärkten. Die Zukunftskonferenz sei ein zivilgesellschaftlicher Prozess, Gewessler plädierte daher für eine breite Teilnahme.

In der Debatte forderte Reinhold Lopatka (ÖVP) ein, auch die nationalen Parlamente bei der Konferenz zu berücksichtigen. Der grüne Europaparlamentarier Thomas Waitz kritisierte innereuropäische Kleinstaaterei, die die Position etwa gegenüber China schwäche. Auch Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sah das so. Für sie hat sich diese Schwäche gerade in der Coronakrise gezeigt. Claudia Gamon (NEOS) warf der ÖVP ihr "über die Jahre betriebenes EU-Bashing" vor, und Petra Steger (FPÖ) sah derart viele Fehlentwicklungen in der EU, dass auch eine Zukunftskonferenz daran nichts ändern könne.

Blümel nicht anwesend

Bei der Debatte um die gescheiterte Ministeranklage gegen Finanzminister Blümel war dieser dann nicht anwesend - und auch nicht Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP), gegen die ebenfalls eine Ministeranklage im Raum stand. Auf die heftige Kritik der Opposition hin meinte Sigrid Maurer, auch Rudolf Anschober, ehemaliger Gesundheitsminister der Grünen, sei bei einer Ministeranklage gegen ihn nicht anwesend gewesen. Was Jörg Leichtfried (SPÖ) dazu bewogen hat, ein „Wos is mit eich?“, in Richtung der Grünen zu richten.

Schließlich seien diese mit dem Dogma angetreten, wer Anstand wählen wolle, solle die Grüne wählen. „Was denkt sich jetzt der Anstand, wenn ihr dem Blümel die Stange haltet?“ Er rät den Grünen: „Gehen Sie in sich und ermöglichen Sie, dass die Organe dieser Republik ihre Verantwortung wahrnehmen und darüber entscheiden können, ob Blümel die Verfassung gebrochen hat oder nicht“, so Leichtfried. „Unserer Meinung nach hat er sie gebrochen und es ist Zeit zu gehen."

(APA/Red.)

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