Krisenmanagement

Pandemie als Innovationstreiber

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Corona brachte für die Logistikbranche große Herausforderungen. Das führte sowohl im IT-Bereich als auch in der Transportabwicklung zu neuen Lösungen.

Corona ist noch nicht überstanden – und damit auch nicht die Folgen für die Logistikbranche. Nach neuerlichen Restriktionen im Zuge eines Covid19-Ausbruchs in Chinas Provinz Shenzen warten derzeit vor dem Hafen Yantian Dutzende Schiffe auf Entladung. „Die MSC Eva steht zum Beispiel schon seit drei Wochen dort“, sagt Kathrin Wolf von Kühne & Nagel nach einem Mausklick auf ein Schiffsymbol der Online-Plattform Seaexplorer. Mit dieser IT-Lösung will Kühne & Nagel die Supply Chain seiner Kunden im Bereich Seefracht fester knüpfen. Die Coronapandemie wirkte als Booster: „Wir haben aufgrund der Probleme eine Reihe von Themen mit Hochdruck entwickelt“, erzählt Wolf.

Trip Advisor für Frachtschifffahrt

Heute kann die Plattform wesentlich mehr, als über Positionen und Wartezeiten von Frachtschiffen zu informieren. Sie soll, so Wolf, „eine Art Trip Advisor für die Containerschifffahrt sein, um die beste Verbindung zu finden.“ Im Falle des Hafens von Yantian kann der Kühne-&-Nagel-Kunde etwa einfach und bequem Alternativen suchen, und er bekommt für jede mögliche Verbindung umfangreiche Informationen: „Wir haben zum Beispiel eigene Berechnungen für die Ermittlung des genauen Ankunftstags“, erzählt die Seafreight Product Managerin. Die Dauer der Überfahrt wird dabei aufgrund von Erfahrungswerten berechnet. So lassen sich schon im Vorhinein Verspätungen abschätzen. Ein weiteres Thema ist die Umwelt. Ein Mausklick genügt, um die CO2-Belastung der Verbindung für einen 24-Fuß-Container anzuzeigen, um zu sehen, ob das Schiff mit Scrubber zur Entschwefelung der Abgase ausgestattet ist oder mit schwefelarmem Treibstoff fährt. So könne je nach Wunsch die ökonomischste oder die schnellste Verbindung gewählt werden, erklärt Wolf: „Seaexplorer hat damit die Kommunikation mit unseren Kunden stark verändert.“ In der preisgetriebenen Branche könne man nun Bedürfnisse des Kunden und alle real möglichen Optionen einander gegenüberstellen und erst dann über den Preis sprechen. „Der Kunde kann seine Supply Chain im Bereich Seefracht außerdem viel besser kontrollieren und Schwachstellen herausfinden“, so Wolf.

Dass die Coronapandemie die Digitalisierung der Logistikbranche beschleunigt hat, bestätigt Alexander Winter, CEO bei DB Schenker in Österreich und Südosteuropa. Als eine konkrete Entwicklung, die direkt ein Resultat von Corona ist, nennt er den kontaktlosen „Proof of Delivery“. Dabei wird aus sicherer Entfernung ein an der Lieferung angebrachter QR-Code mit dem Handy gescannt und auf diesem dann der Erhalt der Ware bestätigt. Die bei DB Schenker in Graz entwickelte Lösung wird mittlerweile in ganz Europa eingesetzt.

Bahn kompensiert Luftfracht

Von ähnlichen Entwicklungen berichtet auch Stefan Krauter, CEO von Cargo-Partner: „So eine radikale Änderung wie die Umstellungen unserer Dispositionsaktivitäten von Home-Office zu den Home-Offices unserer Kunden, Frachtführern und anderer Teilnehmer am Transportgeschehen hätten wir uns ohne zwingenden Grund nie zugetraut“, resümiert er. Auch im täglichen Geschäft musste etliches neu erfunden werden. „Da mit der Einstellung der Passagierflüge Frachtraum auf den Fernost-Routen extrem knapp wurde, haben wir planmäßig Charterflüge gebucht.“ Diese regelmäßigen Verbindungen von Europa nach Asien und retour sowie individuelle Ad-hoc-Charterflüge werden nach wie vor angeboten. Für Kunden, die wegen der hohen Luftfrachtraten auf Landtransporte umgestiegen sind, nahm Cargo-Partner direkte Sammelverkehre per Eisenbahn von ganz China und darüber hinaus über vier chinesische Hubs zu fünf europäischen Hubs auf. „Damit decken wir in Kombination mit der Lkw-Verteilung den ganzen europäischen Kontinent mit unserem Service ab“, so Krauter. Auch die rasante Zunahme des Online-Geschäftes im Zuge der Pandemie schlug sich bei Cargo-Partner nieder. Das Unternehmen übernahm die kleine deutsche, auf E-Commerce spezialisierte Firma Repalog. „Diese Investition soll unser globales Netzwerk mit zusätzlichen Kapazitäten für grenzüberschreitende E-Commerce-Services stärken und es ermöglichen, unseren Kunden eine integrierte Lösung anzubieten“, erläutert Krauter.

Aufsteiger E-Commerce

Zu den krisenbedingten Aufsteigern gehört Logsta, ein Unternehmen, das Fulfillment Services für Internetshops von Start-ups und KMU anbietet. „Die Krise hat viele Unternehmen quasi dazu gezwungen, einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung zu gehen, indem sie ihre Produkte nun vermehrt auch online vertreiben“, berichtet Mitgründer Georg Weiss. Zum Klimasünder sei man dabei trotz aller Herausforderungen aber nicht geworden, ganz im Gegenteil: „Wir achten darauf, Produkte nachhaltig und möglichst komplett plastikfrei zu verpacken. Auch bei der Paketzustellung nutzen wir jetzt immer mehr Möglichkeiten, klimaneutral zu verschicken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2021)

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