Proletarische Prinzessinnen, eine gute Sexszene und die Frage: Kann man Texte besprechen, in denen die Haare „wuschelig“ sind? Das Klagenfurter Wettlesen, Tag eins.
Eine gute Sexszene: Das war das Einzige, worüber sich die Jury in Klagenfurt gleich am Anfang des Wettbewerbs einig war. Die Schweizerin Julia Weber hatte am Donnerstag Vormittag den Lesereigen mit ihrem Text „Immer ist alles schön“ eröffnet, in dem eine Frau durch ein lesbisches Liebeserlebnis völlig verändert wird. Dass die Frau bald darauf bei einer Firmenfeier den den Kopf in die Torte tunkt, fanden einige in der Jury nicht plausibel. Der Text wurde als „Zelebration der Imperfektion des Körpers“ gelobt, der nicht zum Pathos neigende österreichische Literaturwissenschaftler Klaus Kastberger verkündete gar „Diese Ruth werde ich nicht wieder vergessen!“ und erwog einen Preis für „best sex in fiction“. Auch als Bekehrungs- und Befreiungsgeschichte wurde der Text diskutiert. Er wurde aber auch skeptisch bis vernichtend kritisiert (zu typologisierend, verstaubt, „prototypisches Beispiel für einen Stipendiumstext“).
Nur ein schwächelnder Anfang in diesem Bachmann-Bewerb? Leider nein. Die Zustimmung von Seiten der Juroren war bei Julia Webers Text noch eher deutlich als bei den übrigen des ersten Lesetags. Kein einziger überzeugte den Großteil der Jury.