Oberes Belvedere

Hier müssen wir vor Corinth die Waffen strecken

Lovis Corinth in voller retrospektiver Pracht: so ironisch, so provokant sah man den deutschen Lebemann und Maler noch nie.

Dieses Werk ist nichts für schwache heutige Nerven: Da wälzen sich die nackten Weiber, tatschen ihnen gierige Bacchanten-Hände auf die Brüste, hängen blutige Kalbskadaver in düsteren Schlachthäusern, stiert einen ein weißer alter Mann mit nacktem Oberkörper von der Leinwand nur so an. Virilität pur, Lovis Corinth himself. Dieser malende Lebemann war schon zu Lebzeiten, also Klimt-Zeiten, eine Provokation, „nicht zu den sympathischen Geist- und Stilvollen“ zählend, wie seine Beteiligung an der Internationalen Kunst-Schau in Wien 1909 angekündigt wurde.

Immer wieder hat der streitbare Münchner Secessionist in Wien ausgestellt, sein Einfluss auf Oskar Kokoschka und Richard Gerstl ist nicht direkt belegt, aber klar ersichtlich, die heute eröffnende Retrospektive im Oberen Belvedere ergibt also schweren Sinn. Besitzt das Museum noch dazu zehn seiner kapitalen Ölgemälde, darunter der an viel spätere Fleischeslust von Lucian Freud erinnernde „Liegende weibliche Akt“ von 1907. Oder eine der berühmten Memento-mori-Szenen, die er vor Ort malte, die „Geschlachteten Kälber“ von 1896, die allerdings eine erst in Recherche befindliche, zweifelhafte Provenienz aufweist, sie gehörte dem jüdischen Berliner Sammler Max Böhm.

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