Rhythmische Arznei: Tanzen für Figur und Herz

(c) Clemens Fabry
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Taktvolle Medizin: Walzer statt Fitnessstudio, Tango gegen Stress – Cha-Cha-Cha und Co. als Krankheitsprävention.

Man könnte von rhythmischer Medizin sprechen: Tanzen killt Kalorien, ist also für die Linie gesund – bei einer Stunde Walzer verliert man etwa 360 Kalorien, 60 Minuten Rock 'n' Roll machen um mehr als 500 Kalorien schlanker. Zudem fördern Cha-Cha-Cha und Jive Anmut und Ausdauer, Gleichgewicht und Fitness, trainieren Muskeln und beide Gehirnhälften sowie die Improvisationsfähigkeit, steigern das positive Lebensgefühl, beugen Wirbelsäulen- und Rückenproblemen vor und haben auch überaus gesunde Effekte auf das Herz-Kreislauf-System.

Muskel- und Gehirntraining

„Die intensiven Bewegungen sowohl bei klassischen Tänzen als auch bei Latino-Varianten machen sogar den Besuch im Fitnesscenter überflüssig. Die Bauch-, Rücken- und Beinmuskeln werden trainiert, die Hals- und Nackenmuskulatur wird entspannt“, so Prof. Dr. Hans Holdhaus, Direktor des Instituts für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung in Maria Enzersdorf. Tanz ist aber – vor allem für ältere Menschen relevant – quasi auch Sturzprävention, denn er verbessert Stand- und Gangsicherheit. Faktum ist: 70-jährige Frauen und Männer, die regelmäßig tanzen, sind geschickter, besitzen mehr Lebensfreude, leiden seltener an Durchblutungsstörungen und Hüftkrankheiten.

Deutschen Studien zufolge verbessern Boogie und Co. auch die Reaktionszeit und steigern Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung. Holländische Wissenschaftler belegen: Tanz ist eine der wirksamsten Vorsorgemöglichkeiten gegen Demenz. Walzer lässt aber auch die Herzen gesünder schlagen. Die Italiener liefern dazu eine bahnbrechende Studie: 110 Patienten mit Herzinsuffizienz wurden in drei Gruppen geteilt – die eine absolvierte acht Wochen lang ein traditionelles Aufbauprogramm auf Laufband und Fahrrad, die andere tanzte dreimal wöchentlich 21 Minuten lang schnelle und langsame Walzer, die dritte tat gar nichts.

Für Schlaf, Stimmung & Sexualität

Bei den Bewegungslosen tat sich logischerweise auch gesundheitlich gar nichts, während bei den Aktiven die Herz-Lungen-Frequenz in gleichem Umfang zunahm. Was aber Sauerstoffaufnahme und Konditionssteigerung betraf, hatten die Tänzer gegenüber den Radlern die Nase vorn. Zudem verbesserten sich bei den tanzenden Patienten zusätzlich Schlaf, Stimmung und Sexualität, auch eine größere Dehnbarkeit der Arterien wurde festgestellt. Bewegung am Parkett ist also wahrlich wertvolle Medizin.

Nicht zu vergessen die positiven Seiten für die Seele: Tanz ist Kommunikation, kann die Paarbeziehung fördern. Der feurige Tango Argentino etwa hat wissenschaftlich nachweislich Einfluss auf die Menge der Stress- und Sexualhormone – während der Cortisolspiegel beim Tanzen abnimmt, schüttet der Körper beider Partner in erhöhtem Maße das Sexualhormon Testosteron aus. Die Reduktion des Stresshormons ist vor allem der Musik zu verdanken, der Testosteronschub geht auf Kontakt und Bewegung mit dem Partner zurück. Vom 28. bis 30.Oktober finden im Kurhotel Warmbaderhof übrigens Kurstage „Tango Argentino“ mit argentinischen Tanzprofis statt (Halbpension, Tanzkurs, Vitalcenter, Thermal-Urquellbecken, Sauna ab 374Euro). Drehen im Takt ist eine ideale Möglichkeit, vom Alltag loszulassen, den Sorgen zu entschweben. Nach Ansicht der traditionell chinesischen Medizin hilft Tanz auch gegen Depressionen. Und freilich werden – wie bei anderen Sportarten auch – Glückshormone freigesetzt. „Sie helfen beim Stressabbau und bei der Bewältigung des Berufsalltags“, erwähnt Hans Rieser, Besitzer des „1. Tanzhotels in den Alpen“ in Reith im Alpbachtal.

„Tanzen ist Bewegung für den ganzen Körper, aber auch für die Seele“, sekundiert Dr. Dieter Volc, Vorstand der neurologischen Abteilung und des Parkinson-Zentrums an der Wiener Confraternität Privatklinik Josefstadt. Der anerkannte Parkinson-Spezialist organisiert in Wien Tanzkurse für Parkinson-Patienten. Der erste Kurs ist bereits beendet, der nächste startet am 11.Oktober. „Tanz hat für Parkinson-Kranke etliche gesundheitliche Vorteile.“ Von der Lockerung der Beugemuskeln, die bei Parkinson-Patienten meist krankhaft fixiert sind über die Förderung von Bewegung und Motorik bis zur Verbesserung des Gleichgewichtssinns.

Tanzparkett statt Physiotherapie

Auch als Physiotherapie kann so ein Tanzkurs für die Patienten gesehen werden. „Ich bringe kaum einen Patienten dazu, eineinhalb Stunden Physiotherapie zu machen, aber eineinhalb Stunden Tanz geht locker.“ Lockerer nimmt es inzwischen auch das Tanzlehrer-Ehepaar Elisabeth und Roman Svabek. „Am Anfang hatten wir schon Lampenfieber.“ Aber mit Dr. Volc, der übrigens bei nahezu jeder Tanzstunde dabei ist, sei das Ganze kein Problem. Im Gegenteil, es sei direkt Vergnügen, schon fordernd, aber „diese Tanzpaare freuen sich über ihre Erfolge so sichtbar, so herzlich, dass diese Freude auf uns überspringt.“

Und die Patienten? „Sind hell begeistert“, wissen Arzt und Tanzlehrer. Der Tanzkurs fördere auch die Paarbeziehung und das Selbstbewusstsein. „Weil dieser Kurs eine Möglichkeit ist, hinauszugehen, sich nicht mehr zu verkriechen, sich zu getrauen. Und dann merken die Teilnehmer, dass sie tanzen können, dass es funktioniert. Und es funktioniert fantastisch.“

Auf einen Blick

Die Ballsaison steht vor der Tür und damit eine gesunde Zeit: Tanz ist Medizin. Er nützt Muskeln und der Figur, ist Antistress- und Gehirntraining, macht fitter und glücklicher.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.svabek.at

www.tanzhotel.com

www.volc.at

www.warmbad.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2010)

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