Leitartikel

Zurück an den Strand…

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Zurück ins alte Leben? Zurück zu alten Mustern? Widmen wir uns der Rückkehr, dem Comeback, der Veränderung und möglichen Lehren aus der Krise, die wir bewusst ohne erhobenen Zeigefinger formulieren.

Was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, fällt in die Kategorie der interessanten Erfahrungen, auf die wir gern verzichtet hätten. Der Eingriff in unsere Grundrechte mag als Ultima Ratio in der größten weltweiten Gesundheitskrise seit 100 Jahren notwendig gewesen sein. Dass Ausgangsbeschränkungen und eine staatliche Verordnung zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Sperre eines gesamten Landes in vielen Staaten so schnell ergriffen wurden und wohl werden mussten, sollte uns nicht nur nachdenklich stimmen, sondern auch wachsam halten. Wer glaubt, mit ähnlichen Eingriffen andere Krisen bewältigen zu können, sei gewarnt: Das wird unsere Gesellschaft nicht akzeptieren.

Die wichtigste Übung nach Überwindung einer solchen Krise wäre es dennoch, nicht automatisch in alte Muster zurückzukehren, oder besser: sie zumindest zu hinterfragen. Dafür ist eine Disziplin notwendig, die etwa der Politik fast völlig fehlt: die Selbstkritik. Um mit halbwegs gutem Beispiel voranzugehen: Wie mancher meiner Kollegen formulierte auch ich immer wieder Kritik an unserem üppigen und teuren Gesundheitssystem, das sich Landeshauptleute und reformunwillige Minister mit Steuergeld leisten würden. In den vergangenen Monaten zeigte sich, wie leistungsfähig das Netz war. Freilich: Über die Sinnhaftigkeit mancher föderalen Spitalseinrichtungen werden wir trotzdem weiter diskutieren dürfen und müssen.

Und ein „Zurück“ ist unabdingbar: Trotz Wirtschaftswachstum werden die europäischen Staaten nach der teils übertriebenen Koste-es-was-es-wolle-Verschuldung schrittweise auf den Konsolidierungspfad zurückkehren, beziehungsweise endlich erstmals auf diesen einschwenken. Mit der deutschen Wahl im Herbst findet übrigens die wichtigste politische Weichenstellung auf dem Kontinent statt: Kehrt die wirtschaftliche Lokomotive unter Armin Laschet wieder zur bisher erfolgreichen Kombination harter Haushaltdisziplin und gnadenloser Exportpolitik zurück oder geht es unter grüner Führung oder Regierungsbeteiligung viel stärker in Richtung ökosozialer Planwirtschaft? Interessanterweise passiert ausgerechnet in den USA gerade eine (wirtschafts-)politische Revolution: Joe Biden versucht die teils neoliberale Wirtschaftsordnung in Richtung Wohlfahrtsstaat umzubauen – mit zumindest einmaligen Sozialleistungen für fast alle und einem Infrastrukturprogramm, wie es die Welt sonst aus China kennt. Wenn man so will, passiert da gerade eine kleine Europäisierung – im Idealfall nach dem Vorbild Skandinaviens. Außenpolitisch setzt er nach der paradoxen Trump-Politik – laut brüllen, US-zentristisch handeln, pragmatisch abschließen – auf die gute alte Diplomatie aus der Zeit des Kalten Krieges: außen höflicher Falke, innen dann aber ein wenig Taube. Bei Bedarf auch umgekehrt.

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