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Wie normal soll unser Leben wieder sein?

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Freiheitsapostel und Staatsgläubige fordern konträre Lehren aus der Krise. Die meisten aber atmen einfach auf.

Die Raketen des Feuerwerks knallen. Die Stadt begrüßt sie mit einem Freudenschrei. Ein Arzt sinniert: „Die Menschen bleiben immer gleich. Aber das ist ihre Kraft und ihre Unschuld.“ Einen jungen Journalisten packt kurz davor ein konträres Gefühl. Lang hat er sich nach seiner Geliebten in der Ferne gesehnt, jetzt erwartet er sie auf dem Bahnsteig. Der Zug fährt ein, sie fallen sich in die Arme – aber ist sie noch die Frau, die er kannte und liebte? Können sie ihre Partnerschaft dort fortsetzen, wo sie aufgehört haben? Er teilt nicht die Zuversicht „all jener ringsum, die zu glauben scheinen, die Pest könne kommen und gehen, ohne dass das Herz der Menschen sich veränderte“.

Achtung: Es geht in der „Pest“ von Albert Camus nicht um die Pest. Dass Millionen Menschen diesen Roman in der Corona-Ära so andächtig (wieder-)gelesen haben, beruht auf einem doppelten Missverständnis. Nicht nur, dass die Pest um über zwei Zehnerpotenzen schlimmer wütete als das (nun nicht mehr so neuartige) Coronavirus, was jeden Vergleich verbietet. Dem Schriftsteller diente im Jahr 1947 die Plage nur als Allegorie für die Übel, die Menschen anderen Menschen antun: den Krieg, die totalitäre Diktatur der Nazis. Er beschrieb, wie einfache Bürger damit umgingen, als Mitläufer, Denunzianten, Widerstandskämpfer – transponiert in eine surreale Fabel, die das Reale erst richtig aufleuchten lässt.

Es geht um mehr als Viren

Aber was stimmt denn nun: Bleiben die Menschen immer gleich, auch nach außergewöhnlichen kollektiven Erfahrungen? Oder ändert das Erlebte ihre Einstellung, ihr Handeln? Vorübergehend oder für immer? Und wenn dies nicht vorherbestimmt, sondern gestaltbar ist: Wie lautet das moralische Postulat? Zurück zur Normalität oder einen neuen Weg einschlagen?

Ginge es nur darum, dass ein Krankheitserreger sich zurückzieht, wäre die Antwort einfach: feiern, lieben, vergessen. Weitermachen, wo wir aufgehört haben. Und darauf hoffen, dass nicht so bald ein neues Virus daherkommt. Wie man bessere Vorsorge trifft, wäre eine Frage für Wissenschaftler und Gesundheitspolitiker, nicht für die ganze Gesellschaft. Doch ob wir nun Doktor Rieux oder dem jungen Raymond beipflichten: Wir spüren, es geht um mehr, für uns alle. Aber wir sind uns nicht einig, worum.

Eine Gruppe von Menschen hat die Corona-Zeit vor allem aus einer politischen Perspektive als traumatisierend erlebt: als Paralyse der Gesellschaft, Aussetzung von Grundrechten, Eindringen des Staates in privateste Lebensvollzüge und Übertragung der Macht an einige wenige Virologen, die ohne jede demokratische Legitimation der Politik die weitreichendsten Entscheidungen diktierten.

Diese Gruppe sorgte sich, dass Lockdowns womöglich in Summe mehr Schaden anrichten, als sie verhindern – durch das Einlernen blinden Gehorsams, psychologisches Leid, Schuldenberge für die nächsten Generationen. Aber auch als Schaden ohne Wechsel des Maßstabs, in Lebensjahren gerechnet – weil eine Vollbremsung der Wirtschaft, ein Wohlstandsverlust immer stark korreliert mit einer kürzeren Lebenserwartung, vor allem in den armen Teilen der Welt.

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