Manchmal log Trump, nur weil ihm danach war. Sein Vater kommt einmal aus Schweden, einmal aus Deutschland.
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Komm zurück, Pinocchio!

Darf man Sehnsucht nach der Zeit vor der Trump'schen Lüge haben? Man darf, und man soll! Oder etwas romantischer ausgedrückt: Wir wollen jene Holzpuppe wiederhaben, die immer peinlich darauf achten musste, was über ihre hölzernen Lippen ging, weil man ihr die Unwahrheit an der Nasenspitze ansah.

Wie ging das noch einmal? „Erwischen sie dich bei einer Lüge, dann heißt es erst recht: lügen, lügen und nochmals lügen.“ Als Kind kannte ich das nicht. Und trotzdem log ich wie gedruckt. Lügen wirkte nun einmal Wunder. Es half mir aus der Patsche, egal, wie tief ich in etwas hineingeraten war. Ich musste nur meinem Gegenüber fest in die Augen schauen und dabei lächeln. Aber dann änderte sich alles. Ich hörte das Märchen vom lügnerischen Schäfer. Der behaupte aus Jux, ein Wolf würde seine Schafe reißen. Und die alarmierten Bürger eilten zu Hilfe. Zweimal ging das gut, aber beim dritten Mal, da kam er wirklich, der Wolf. Und niemand reagierte. Der Schäfer und seine Schafe zahlten den Höchstpreis.

Schockierendes Fazit des zehnjährigen Lügners: Lügen konnte schwere Folgen haben. Die Wahrheit hingegen das Leben retten. Da beschloss ich, so viel wie möglich darüber zu erfahren. Ungefähr so wie ein Wissenschaftler die Geheimnisse der Materie erforscht, aus der wir bestehen. Bei der Wahrheit war das leicht. Über die Wahrheit wurde nicht viel berichtet. Außer dass sie gut war und sich jeder an sie halten sollte. Ferner wurde sie noch in zehn Geboten empfohlen: „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen.“ Das war's im Großen und Ganzen. Die Lüge dagegen füllte ganze Bibliotheken und eine Menge bedeutender Köpfe. Besonders jene Kapazunder, die sich der Suche nach der Wahrheit verschrieben, waren an ihr brennend interessiert. „Wer nicht lügen kann, weiß nicht, was Wahrheit ist“, behauptete sogar Nietzsche, und sein französischer Kollege Voltaire legte noch ein Schäufelchen drauf: „Die Sprache wurde dem Menschen gegeben, um die Wahrheit zu verschleiern.“ Damit gab der feinsinnige Franzose durch die Blume zu verstehen, dass unsereiner von Natur aus ein lügnerisches Wesen ist. Die moderne Verhaltenspsychologie ging da viel bodenständiger mit dem delikaten Thema um. So lügt der Mensch angeblich im Durchschnitt pro Tag 100 Mal. Männer öfter als Frauen. Gelogen wird vor allem aus Scham, zur Selbstverteidigung oder wegen Gewissensbissen. Alles andere ist pathologisch. Interessanterweise gibt es auch die gute Lüge, „weiße Lüge“ genannt. Man will jemandem Kummer ersparen oder ein Unheil abwenden. Sogar vor Gericht, wo man die „Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ sagen muss, darf man flunkern, sofern man nicht andere Personen belastet. Dieses Paradoxon nennt man Schutzbehauptung.

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