Großbritannien

Der legendäre „Mister Ordaaa“ wechselt die politischen Fronten

John Bercow
John Bercow(c) imago images/i Images (Gustavo Valiente / i-Images via www.imago-images.de)
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Ex-Parlamentssprecher John Bercow, einst ein Konservativer, läuft zu Labour über. Ihn machten seine berühmten Ordnungsrufe im Unterhaus berühmt.

London. Lange war es still gewesen um John Bercow. Nun meldete er sich mit einem Paukenschlag zurück: Der Mann, der die zähe Brexit-Debatte als Parlamentspräsident jahrelang mit Ordnungsrufen wie „Ordaaa! Ordaaa!“ wie kein Zweiter geprägt hatte, erklärte am Sonntag seinen Wechsel von den Konservativen zu Labour. Die Regierungspartei sei „reaktionär, populistisch, nationalistisch und teils sogar fremdenfeindlich“, begründete er den Schritt.

Heftig attackierte er in einem Interview Premier Boris Johnson: „Er ist ein erfolgreicher Wahlkämpfer, aber ein mieser Regierungschef. Ich glaube nicht, dass er irgendeine Vision einer gerechteren Gesellschaft, Hunger nach größerer gesellschaftlicher Mobilität oder Leidenschaft für Menschen hat, die in weniger glücklichen Umständen als er geboren wurden.“ Trotz seiner Versprechen an benachteiligte Wählergruppen sei Johnson einzig und allein an sich selbst interessiert.



Ähnliche Vorwürfe äußerten Kritiker auch über Bercow (58), der 2009–2019 dem Unterhaus vorstand und mit prozeduralen Finessen sowie theatralischer Selbstinszenierung insbesondere militante Brexit-Fans zur Weißglut brachte. Ein Video mit seinen Interventionen wurde zum YouTube-Hit. Ein Absetzungsverfahren der Tories gegen ihn scheiterte. Nach seinem Abgang verweigerte ihm die Regierung gegen alle Usancen die traditionelle Berufung ins House of Lords.
Während Bercow sagt, sein Schritt habe „mit Rache nichts zu tun“, markiert er doch eine weite politische Reise. Mit 17 wurde der Sohn eines jüdischen Taxifahrers rumänischer Herkunft als „rabiater Rechtsausleger“ Mitglied der Konservativen, vertrat ab 1997 im Unterhaus den wohlhabenden Wahlkreis Buckingham. Während manchen sein Schweigen zu lange gedauert hatte, konnte es anderen nicht lange genug sein. Für die Tories sagte Staatssekretär Guy Opperman gestern: „Labour kann ihn gerne haben.“

Die Aussichten bleiben für Bercow indes überschaubar. Bei der Nachwahl im Wahlkreis Chesham and Amersham, einer Nachbargemeinde von Buckingham, erlitten die Tories jüngst zwar eine historische Schlappe und verloren einen bisher sicheren Sitz an die Liberaldemokraten. Labour aber fuhr mit nur 1,6 Prozent das schlechteste Nachwahlergebnis der Parteigeschichte ein.

((gar))

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