Black Monday

Die gefährliche Verlockung, nicht zu streuen

Wie kommt man auf die Idee, sein ganzes Geld in Wirecard zu stecken? Aus Angst, die Chance auf großen Reichtum verstreichen zu lassen.

Ihretwegen schulde ich der Bank jetzt 10.000 Dollar“, warf ein Twitter-Nutzer Tesla-Chef Elon Musk vor. Ob der Mann einen Kredit aufgenommen hat, um Bitcoin, die von Musk hochgetriebene Spaßwährung Dogecoin oder Tesla-Aktien zu kaufen, geht aus dem Tweet nicht hervor. Was ihn dazu bewogen hat, kann man erahnen: derselbe Impuls, der manche Menschen dazu brachte, ihre gesamte Altersvorsorge in Wirecard-Aktien zu stecken. Wirecard ist vor einem Jahr infolge eines Betrugsskandals pleite gegangen, nachdem die Aktie zuvor jahrelang Höhenflüge vollzogen hatte. Es ist die Angst, dass einem ein Riesengewinn entgehen könnte, wenn man nicht sein ganzes Vermögen auf ein Pferd setzt – oder dafür gar einen Kredit aufnimmt.

Denn wenn man das richtige Pferd erwischt, kann man reich werden. Nicht wie jemand, der vor 20 Jahren breit in den US-Aktienmarkt investiert und sein Kapital verdreieinhalbfacht hat. Sondern richtig reich. Wie jemand, der sein ganzes Vermögen auf den Getränkehersteller Monster Beverage gesetzt und es mehr als vertausendfacht hat. Mit einem Kredit hätte er aber wohl Schwierigkeiten bekommen, als das Papier im Zuge der Finanzkrise um 70 Prozent abstürzte. Auch ohne Kredit hätte er die Nerven behalten müssen, was umso schwerer fällt, je mehr Geld man in eine Aktie gesteckt hat. Zudem hätte er wissen müssen, dass Monster Beverage das richtige Pferd ist.

Im Nachhinein denkt mancher, dass es leicht gewesen wäre, reich zu werden mit Monster Beverage oder Bitcoin. Und will das jetzt wirklich durchziehen. Doch das Monster Beverage der Zukunft ist noch unbekannt. Es handelt sich wohl um einen kleinen Wert, den keiner auf dem Radar hat. Dieser Wert wird massiv schwanken. Wer ihn gekauft hat, wird oft zweifeln, ob das wirklich eine gute Idee war und ob man überhaupt das Monster Beverage der Zukunft erworben hat und nicht vielmehr Wirecard.


Also doch lieber streuen. Doch auch das beherrschen viele nicht. So wird man dieser Tage oft von frisch gebackenen Bitcoin-Investoren gefragt, ob sie sich auch Ethereum zulegen sollen. Das sollten sie besser nicht. Nichts gegen Ethereum, dessen Blockchain wirklich viel kann und dessen Preis durchaus noch höher steigen kann. Dennoch ist es für jemanden, der bisher nur Bitcoin und nicht einmal Aktien hat, keine gute Idee, Ethereum zu kaufen, weil er sich dabei ein Klumpenrisiko einhandelt. Wenn Bitcoin nach unten rasselt, reißt es die anderen Krypto-Assets mit. Das war bisher so und scheint gegenwärtig nicht anders zu sein.

Wer mit einem großen Technologiewert gute Erfahrungen gemacht hat, etwa mit Google, neigt dazu, sich auch Amazon und Microsoft zuzulegen. Auch das ist an sich keine so schlechte Idee. Beide Unternehmen haben vielversprechende Geschäftsmodelle. Wenn Technologiewerte aber einmal scharf korrigieren – weil die Zinsen steigen oder es Verschärfungen beim Wettbewerbsrecht gibt –, fallen alle drei Aktien gleichzeitig.

Wer richtig streut, kommt nicht umhin, auch den einen oder anderen Wert dabei zu haben, der zuletzt kein so großes Zugpferd war. Bank- oder Industrieaktien, Gold – aber auch Cash. Wenn Aktien und Kryptowährungen fallen, kann man nachkaufen. Und wenn man kein Geld hat, nimmt man lieber keinen Kredit auf und verzichtet auf das vermeintliche Monster Beverage der Zukunft. Es werden noch andere Gelegenheiten kommen.

E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.