Mein Dienstag

Dieser Beruf

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Side view thoughtful young male wearing casual summer clothes sitting on soft couch while travelling in ferry on ripplinimago images/Addictive Stock
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Starke Gefühle, die alles andere überschatten. Wer sie kennt und pflegt, weiß um ihren Wert.

Es gibt da diese Szene in dem Film „Untreu“, einem kleinen Meisterwerk aus dem Jahr 2002. Die mit Richard Gere verheiratete Diane Lane teilt mit ihrem jüngeren Liebhaber (Olivier Martinez in der Rolle seines Lebens) intimste Gedanken. „An Tagen“, sagt sie, „an denen ich weiß, dass ich dich sehen werde, bin ich ganz ruhig. Nichts kann mir etwas anhaben. Und dafür hasse ich mich.“ An allen anderen Tagen bringe sie die Sehnsucht fast um. Sie sei angespannt, freudlos und suche nach Gründen, ihn anzurufen und seine Stimme zu hören.

Dieses Gefühl, das Diane Lane so intensiv, so uneitel beschreibt, dürfte vielen von uns bekannt sein. Manchen wohl auch aus den gleichen Gründen wie bei ihr. Ich kenne es auch. In einem anderen, beruflichen Zusammenhang.

An Abenden, an denen ich weiß, dass ich am nächsten Morgen ein Interview mit jemandem habe, der intelligent, reflektiert, eloquent und weitsichtig ist, bin ich die Ausgeglichenheit in Person – weil ich weiß, dass es ein gutes Gespräch und ein wertvoller Artikel wird. Jemand wie Lungenfacharzt Bernd Lamprecht zum Beispiel. Oder Tropenmedizinerin Ursula Wiedermann-Schmidt. Oder Komplexitätsforscher Peter Klimek. Oder Epidemiologin Eva Schernhammer. An solchen Abenden kann kein Film so schlecht sein, dass er mich langweilt. Kein Telefonat mit den Eltern so anstrengend, dass es meine Laune verdirbt. Keine Tropennacht so warm, dass ich nicht gut schlafe.

An Abenden hingegen, an denen für den nächsten Tag kein solches Gespräch anberaumt ist, sollte meine Gesellschaft gemieden werden. Kein Witz bringt mich zum Lachen, keine Musik zum Tanzen, kein Wein zum Reden. Ich bin unrund, hibbelig und zähle meine Schritte, wenn ich irgendwohin gehe. In der Hoffnung, doch noch einen Anlass für ein Interview zu finden.

So vergehen sie . . . die Tage eines Journalisten, der seinen Beruf nicht einfach nur mag. Sondern der ihn gewählt hat.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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