Operation Luxor

Anti-Terror-Razzia: Religionslehrer wehrt sich

APA/BMI
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Nach der Großrazzia gegen mutmaßliche Hamas-Mitglieder gehen immer mehr Beschuldigte in die Gegenoffensive: Ein Islamlehrer und ein Immobilienkaufmann weisen im „Presse“-Gespräch jeden Verdacht von sich.

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz kam es am am 9. November 2020 zu einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia. Mehr als 60 Wohnungen in vier Bundesländern wurden durchsucht. Man erklärte sogleich, dass diese Aktion nichts mit dem eine Woche zuvor verübten Terroranschlag von Wien zu tun habe.

30 Personen der mehr als 70 Beschuldigten wurden zu sofortigen Einvernahmen zwangsweise vorgeführt. Darunter ein in zwei Wiener Schulen, im 5. und im 12. Bezirk, tätiger Religionslehrer. Im „Presse“-Gespräch weist der 54-Jährige alle Vorwürfe zurück.

Der Pädagoge ist in Kairo geboren. Er lebt seit vielen Jahren in Österreich, hat auch die österreichischer Staatsbürgerschaft. Seit einem Jahrzehnt steht er bei der Wiener Bildungsdirektion bzw. der Stadt Wien unter Vertrag.

Weder sei er Mitglied der Muslimbrüder, noch unterstütze er die palästinensische Terrororganisation Hamas, erzählt der Verdächtige. „Ich bin kein Muslimbruder.“ Und: „Ich weiß, dass es die Hamas in Gaza gibt, aber ich kenne niemanden von der Hamas.“

Im krassen Widerspruch dazu erheben Verfassungsschutzbehörden sowie die Staatsanwaltschaft Graz massive Vorwürfe: Der Pädagoge soll im strafrechtlichen Sinne Mitglied einer staatsfeindlichen Verbindung, einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation sein. Endziel der Muslimbruderschaft sei laut mehrfacher Erwähnung in den Strafakten „die Errichtung eines weltweiten Kalifats“.

„Haus mit Kredit finanziert“

Ansatz des Verdachts gegen den Lehrer ist dessen Besuch bei einer Veranstaltung in Wien-Donaustadt, bei der am 22. Dezember 2013 führende Muslimbrüder zugegen waren. Diesen Besuch gesteht der Lehrer zu. Daraus lasse sich aber keine Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung ableiten.

Den Vorwurf, er wolle durch den Ankauf von Immobilien die Struktur der Hamas fördern, weist er zurück. Auch habe er für einen geplanten Grundstücksankauf keine dubiose Finanzspritze erhalten. Sein eigenes Haus habe er mit einem Kredit finanziert. Dies sei, so versichert sein Anwalt Andreas Schweitzer, mittels Grundbuch und Bankauskunft nachweisbar. Finanzielle Probleme habe er erst seit der Razzia, ergänzt der Islamlehrer, der nach eigenen Angaben auch Integrationsbotschafter der Schulbesuchs-Aktion „Zusammen Österreich“ ist. Seit Dezember ist er vom Dienst freigestellt. Seither bezieht er nur sein Grundgehalt. Anwalt Schweitzer über den städtischen Vertragsbediensteten: „Auch wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, was ich annehme, muss er den Entfall aller Zulagen hinnehmen.“

Noch immer habe er technische Geräte (Laptop, Handy), die bei der Razzia beschlagnahmt worden sind, nicht zurückbekommen. „Die Geräte meiner Kinder wurden mittlerweile retourniert.“

Jedenfalls sei er als Lehrer zur Untätigkeit gezwungen – immerhin habe er eine Nebenbeschäftigung: Er predige alle 14 Tage im Auftrag der islamischen Glaubensgemeinschaft in einem für alle offenen Gebetsraum. „Auf Deutsch“, unterstreicht der 54-Jährige. Wie lange die Ermittlungen in seinem Fall noch dauern und was dabei herauskommt, ist offen.
Apropos Predigen: Hier wechselt sich der Lehrer mit einem Mann ab, der ebenfalls unter massivem Verdacht steht. Die Rede ist von Aiman Morad (57), Immobilienkaufmann, geboren im syrischen Damaskus. Morad ist einer der Gründer des islamischen Vereins „Liga Kultur“. In der Razzia-Anordnung heißt es: „Der Verein gilt als zentrale Niederlassung der Muslimbruderschaft in Österreich.“ (Es gilt die Unschuldsvermutung.) Morad war als Lehrbeauftragter für islamische Religion tätig. Auch er bestreitet alle Vorwürfe. Und überrascht mit einem Bekenntnis: „Ich bin Muslimbruder“. Nachsatz: „So wie Millionen andere Muslime auf der Welt.“

Abgehörte Telefonate

Die Muslimbrüder würden, so Morad, einen „gemäßigten“ Islam vertreten. Sie seien jedenfalls keine Terrororganisation. Ja, Spendenaufrufe zugunsten palästinensischer Vereine habe er getätigt. „Aber mit der Hamas habe ich nichts zu tun.“ In der Razzia-Anordnung steht das Gegenteil: Morad sei verdächtig, Geld für die Hamas zu sammeln. „Zumindest seit der Gründung des Vereins ,Liga Kultur‘ “. Abgehörte Telefonat würden dies bekunden. Morad winkt ab. Er sei schon seit acht, neun Jahren nicht mehr Teil des Vereins. „Ich werde wegen meiner Religion verfolgt.“ Ein Ende der Ermittlungen ist nicht in Sicht.

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