Interview

„Wissen allein löst das Problem nicht“

Clemens Fabry
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Die Leiterin des Zentrums für Public Health an der Med-Uni Wien, Anita Rieder, sieht die wachsende Gesundheitskompetenz als positives Signal.

Was genau macht Gesundheitskompetenz für Sie aus?
Anita Rieder: In der Gesundheitskompetenz sind drei Fragen essenziell: Was habe ich? Was kann ich tun? Warum soll ich das tun? Wenn man es schafft, diese drei Punkte zu kondensieren, hat man schon viel Wesentliches für die Gesundheitskommunikation getan.

Im vorigen Jahr gab es eine Flut an Gesundheitsinformationen. Es zeigt sich trotzdem, dass sich viele Menschen diese Informationen nicht zunutze machen konnten.
Durch die dynamische Entwicklung der Information ist auch Wissen komplexer geworden. Es geht jetzt viel mehr darum, die eigene Situation in einen Kontext zu bringen. Damit das gelingen kann, heißt es drei grundsätzliche Formen der Gesundheitskompetenz aufzubringen: die funktionale Form, also ob man über die nötigen Fähigkeiten wie etwa E-Health verfügt; die interaktive Form – hier geht es darum, Wissen entsprechend zu verarbeiten und praktisch umzusetzen; außerdem die kritische Form, denn es ist enorm wichtig, sich mit diesen Infos kritisch auseinanderzusetzen.

Ist das Internet für die Förderung der Gesundheitskompetenz eher ein Fluch oder ein Segen?
Wenn Fakten falsch sind oder Informationen nicht an die Menschen durchdringen, ist es problematisch. Der Umgang mit elektronischen Medien, auch E-Health Literacy genannt, schließt gewisse Personengruppen aus. Zum Beispiel Ältere haben oft nicht die Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen auf ihrem Smartphone zu checken. An E-Health wird auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen. Vor allem in Bezug auf Corona ist es wichtig zu wissen, wo man sich seine sicheren Informationen holen kann.

Oft weiß man zwar, was gesund ist, aber man hält sich trotzdem nicht daran. Wie kann man diese Lücke schließen?
Wissen allein löst das Problem nicht. Man muss die Situation schon richtig verstehen und in die Praxis umsetzen können. Der soziale Kontext sollte dabei allerdings nicht vergessen werden. Nicht alle haben dieselben Ressourcen dafür, ihr Wissen dann auch wirklich zu realisieren.

Wie kann man nach mehr als einem Jahr, das geprägt war von der Coronakrise, den Fokus wieder auf andere Probleme im Gesundheitswesen legen?
Die Bevölkerung hat in Sachen Gesundheitskompetenz einen riesigen Sprung gemacht. Wir wussten nie mehr über Impfungen oder Gesundheitsbegriffe wie Antikörper oder Inzidenz. Sichtlich wirkt sich das auch auf das Verhalten der Menschen in Österreich aus. Wir wollen geimpft werden, also nehmen wir uns der vielen Informationen an. Vorsorgethemen werden uns weiterhin begleiten, Themen wie etwa mentale Gesundheit waren nie relevanter als heute. Jetzt heißt es, diese Themen weiter miteinander zu verknüpfen und sie nicht als getrennte Bereiche wahrzunehmen.

Information

Dieser Artikel ist in Kooperation mit dem Austrian Health Forum (Styria Ethics 2021) entstanden. Geschrieben wurde er von Studierenden der FH Joanneum in Graz.

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