Hongkong

Prodemokratische Zeitung "Apple Daily" stellt Betrieb ein

Das Boulevardblatt war wegen angeblicher Verstöße gegen das - auf Betreiben Pekings erlassene - umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten.
Das Boulevardblatt war wegen angeblicher Verstöße gegen das - auf Betreiben Pekings erlassene - umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten.(c) REUTERS (JESSIE PANG)
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Die letzte Ausgabe des Blattes soll am Samstag erscheinen. Mehrere Führungskräfte befinden sich in U-Haft, weil ihnen Verstoß gegen Sicherheitsgesetz vorgeworfen wird.

In Hongkong wird die prodemokratische Zeitung "Apple Daily" eingestellt. Das Boulevardblatt war wegen angeblicher Verstöße gegen das - auf Betreiben Pekings erlassene - umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten. Die vor 26 Jahren gegründete Zeitung mit einer Auflage von rund 80.000 Exemplaren teilte am Mittwoch mit, dass die letzte Ausgabe am Donnerstag erscheinen werde - zwei Tage früher als zunächst kommuniziert.

Auch die Online-Ausgabe wird eingestellt. Das Medienunternehmen dankte den Lesern für ihre loyale Unterstützung.

"Die Pressefreiheit in Hongkong ist seit heute endgültig Geschichte", sagte die Vorsitzende des deutschen Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Gyde Jensen (FDP), als Reaktion auf die angekündigte Schließung der Zeitung. Jensen forderte die EU dazu auf, personenbezogene Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Hongkong zu verhängen. Auch die internationale Gemeinschaft müsse alles dafür tun, dass die journalistische Berichterstattung über das, was in Hongkong passiert, nicht abreißt.

„Abschreckende Botschaft"

Die für Pressefreiheit eintretende Organisation Reporter ohne Grenzen reagierte ebenfalls erschüttert auf den Betriebsstopp der Zeitung. "Die Zerschlagung dieses Symbols der Pressefreiheit sendet eine abschreckende Botschaft an Journalistinnen und Journalisten weltweit, die sich weigern, die Propaganda des Regimes in Peking zu verbreiten", sagte Geschäftsführer Christian Mihr. "Wenn die internationale Gemeinschaft nicht mit größter Entschlossenheit reagiert, wird das Präsident Xi Jinping zeigen, dass er die Pressefreiheit in Hongkong völlig ungestraft auslöschen kann, so wie er es bereits in Festlandchina fast geschafft hat."

Vergangene Woche waren mehrere Führungskräfte der Zeitung festgenommen worden. Chefredakteur Ryan Law und Herausgeber Cheung Kim-hung wurden angeklagt und sitzen nun in Untersuchungshaft. Die Polizei behauptet, es gebe stichhaltige Beweise dafür, dass mehr als 30 in der "Apple Daily" veröffentlichte Artikel darauf abgezielt hätten, andere Staaten zu Sanktionen gegen China und Hongkong zu bewegen. Die Rede war von einer "Verschwörung mit dem Ausland".

Auch wurden Vermögenswerte der Zeitung eingefroren. Next Digital hatte am Montag gewarnt, dass ohne das Geld Gehälter nicht gezahlt werde könnten und der Betrieb eingestellt werden müsse. In den vergangenen Tagen gab die Zeitung bereits einige ihrer Angebote auf. Zahlreiche Mitarbeiter verließen das Unternehmen.

Kurz vor Bekanntgabe der Schließung war am Mittwoch ein weiterer Journalist der Zeitung festgenommen worden. Wie Hongkonger Medien berichteten, war Yeung Ching-kee, ein führender Leitartikel-Schreiber der "Apple Daily", in der Früh von Polizisten aus seiner Wohnung geholt worden.

Auch Gründer Jimmy Lai festgenommen

Die Räume der "Apple Daily" waren seit August zweimal von mehreren hundert Polizisten durchsucht worden. Damals wurde auch Zeitungsgründer Jimmy Lai festgenommen. Der 73-Jährige sitzt derzeit eine Haftstrafe von 20 Monaten ab, weil ihm Anstiftung zu nicht autorisierten Protesten vorgeworfen wird. Zudem wird gegen ihn wegen angeblicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz ermittelt, das Peking vor einem Jahr als Reaktion auf anhaltende Massendemonstrationen für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion eingeführt hatte.

Dutzende Festgenommene in Hongkong müssen sich wegen Anklagen nach dem ebenso vage gehaltenen wie weitreichenden Sicherheitsgesetz noch vor Gericht verantworten. Eine ganze Reihe Hongkonger Aktivisten hat sich aus Angst vor Strafverfolgung in andere Staaten abgesetzt.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört die frühere britische Kronkolonie wieder zu China und soll eigentlich nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" eigenständig regiert werden. Auch wurde den sieben Millionen Hongkongern damals zugesagt, über 50 Jahre noch bis 2047 "ein hohes Maß an Autonomie" und viele politische Freiheiten genießen zu können. Seit dem Erlass des Sicherheitsgesetzes reden viele aber nur noch von "Ein Land, ein System".

(APA/dpa)

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