Belarus

Blogger Protassewitsch und Freundin nun im Hausarrest

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Der Demokratie-Aktivist durfte überraschend das Gefängnis verlassen.

Der in Belarus nach der Zwangslandung eines Passagierflugzeugs festgenommene Blogger Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega sind in den Hausarrest verlegt worden sein. Das teilte die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja am Freitag in ihrem Exil in der EU mit. Eine Bestätigung von den Behörden in Minsk gab es zunächst nicht. Tichanowskaja sprach von einer „guten Nachricht". Zugleich betonte sie: „Hausarrest ist keine Freiheit."

Aber auch die russische Botschaft in Minsk gab bekannt, dass Sapega in den Hausarrest versetzt sei. Sie soll sich in einer Wohnung in Minsk aufhalten. Sapega ist russische Staatsbürgerin. Ihr Vater hatte in der Vorwoche Machthaber Alexander Lukaschenko um Begnadigung seiner Tochter gebeten. Ihr Anwalt gab gegenüber dem russischen Sender „Doschd“ bekannt, dass sie unter „normalen Bedingungen“ lebe und ihre Eltern habe treffen können. Der britische Sender BBC meldete unter Berufung auf Protassewitschs Vater, dass sein Sohn nicht mehr im Gefängnis sei. Auch Roman halte sich in einer Wohnung in Minsk auf, ob gemeinsam mit Sapega oder nicht, war nicht unmittelbar klar. Seine Eltern wurden jedoch vorab nicht über die Verlegung informiert. Die Vorwürfe der Behörden gegen das Paar sollen nach wie vor aufrecht sein.

„Geiseln“ des Systems

Der Regimekritiker Protassewitsch und Sapega seien „Geiseln" des Systems von Lukaschenko, sie seien weiter angeklagt und stünden unter dem Druck ihrer Peiniger, sagte Tichanowskaja. „Wir sind in Kontakt mit Romans Eltern - ihnen wird gar nichts gesagt über ihren Sohn, und sie haben keine Möglichkeit, selbst mit ihm zu sprechen. Sie sind überzeugt, dass das Regime ein Spiel treibt und dabei die Leben von Roman und Sofia benutzt.“ Zudem säßen weiter mehr als 500 Polit-Gefangene in belarussischen Gefängnissen. Tichanowskajas Mann Sergej Tichanowskij drohen in einem gerade begonnenen Prozess 15 Jahre Haft.

Bekanntlich war Protassewitsch unlängst in einem TV-Interview und einer Pressekonferenz von den belarussischen Behörden vorgeführt worden; in den Auftritten gestand er seine Schuld ein und äußerte sich abwertend über die Demokratiebewegung. Es liegt nahe, dass diese Aussagen unter Druck zustande kamen.

Die umstrittene Festnahme Protassewitschs und seiner Freundin hatte zu massiver Kritik im Westen geführt und zu neuen Sanktionen. Belarussische Behörden hatten am 23. Mai eine von Athen nach Vilnius fliegende Ryanair-Passagiermaschine zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Der in dem Flieger reisende Blogger und Oppositionsaktivist Protassewitsch und seine Freundin Sapega wurden in Minsk festgenommen. Machthaber Alexander Lukaschenko sieht sich nach der Operation, bei der auch ein Kampfjet aufgestiegen war, wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftraum in der Kritik.

Reaktion auf Sanktionen?

In Belarus gibt es seit der Präsidentenwahl am 9. August vergangenen Jahres Proteste gegen den Langzeit-Machthaber Lukaschenko. Dabei gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Menschenrechtler berichten über Folter in den Gefängnissen. Gegen Lukaschenko selbst und Dutzende andere Unterstützer gibt es schon seit längerem internationale Strafmaßnahmen. Die EU hat ihre Sanktionen erst diese Woche durch sektorale Maßnahmen maßgeblich verstärkt, die die belarussische Exportwirtschaft treffen.

Über die Hintergründe des Hausarrests gibt es bisher nur Mutmaßungen. Eine Vermutung ist, dass Lukaschenko damit in Richtung Europa ein Entspannungssignal setzen will. Der exilierte Oppositionelle Pawel Latuschko erklärte in einem Interview, dass Lukaschenko nun einen „Handel mit den Gefangenen" beginnen wolle. Mit dem Fall Protassewitsch wolle die Führung der Öffentlichkeit zudem signalisieren, dass Protassewitsch nach seiner Kooperation mit den Behörden mit Milde rechnen könne. Zu diesem Bild passt, dass Protassewitsch und Sapega gestern in Minsk bei einem Dreh des staatlichen TV gesehen wurden; das Paar ging frei spazieren. Das Regime will den Anschein erwecken, dass es dem prominenten Gefangenenpaar blendend geht.

Im Falle Sapegas könnte Moskau interveniert haben. Auch Sapegas Anwalt äußerte sich dahingehend: Der Transfer seiner Mandantin in den Hausarrest sei dank eines Gesprächs zwischen Wladimir Putin und Lukaschenko zustande gekommen. Die Zukunftsaussichten seiner Mandantin beurteilte er demnach „positiv“.

(APA/red.)

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