Die Achillesferse des Lindwurms am Neuen Platz in Klagenfurt ist seine Extremität.
Reisebuch

Kärnten in feinen Details

„111 Orte, die man in Kärnten gesehen haben muss“, sind nicht immer deckungsgleich mit dem, was hinlänglich vermarktet wird. Das ist gut so. Gisela Hopfmüller und Franz Hlavac trafen eine spannungsreiche Auswahl für ihr neues Kärnten-Buch.

Im Frühling ein Meer aus Narzissen: die Wiese oberhalb der Stouhütte in den Karawanken.
Im Frühling ein Meer aus Narzissen: die Wiese oberhalb der Stouhütte in den Karawanken.Hopfmüller/Hlavac

Die Schwachstelle des Lindwurms ist sein Ringelschwanz. Weit schwebt er über dem Brunnenbecken – eine bildhauerische Leistung, die keiner Statik-Tricks bedurfte (etwa eines Stütz-Schweifs wie beim Prinz-Eugen-Reiterstandbild am Heldenplatz). Allerdings ist das Gestein des Klagenfurter Hausdrachens brüchig. „Immer wieder ist der Ringelschwanz abgebrochen, weil sich jemand draufgesetzt hat“, schildert Gisela Hopfmüller in ihrem und Franz Hlavacs neuem Buch „111 Orte in Kärnten, die man gesehen haben muss“. Zuerst waren es die Soldaten Napoleons, dann britische Besatzer, schließlich Schüler, die am Hosenboden landeten. Scheint so, als hätte das Ungeheuer größere Feinde als Herkules mit seiner Keule.
In der Sammlung dieser 111 Muss- oder besser: Soll-Orte in Kärnten erschließen sich Sehenswürdigkeiten kurz und pointiert. Dazu gehören einprägsame „Kindheitserinnerungen“ der Autorin, wie die Pasterze. Heute ein Mahnmal des Klimawandels, das man bestaunen sollte, bevor die Gletscherreste dahingeschmolzen sind – an die 60 Meter pro Jahr. Eine große Bekannte ist auch Burg Hochosterwitz – aber weiß man, dass auf dem Festungsberg Männer und Frauen nach Vorbild der Schweizer Garde Dienst schieben? Zur Premiumauswahl der beim nächsten Kärnten-Ausflug nicht zu versäumenden Punkte gehören, naheliegend, ein Dom zu Gurk oder ein Schloss Porcia. Jedoch: „Wenn schon sehr bekannte Orte, dann wollten wir neue Aspekte finden“, erzählt Hopfmüller, wie Franz Hlavac langjährig beim ORF tätig und regelmäßig mit dem Verfassen von Reisebüchern aus der Alpe-Adria-Region befasst.

Fresken und Staumauern

Kölnbreinsperre, martialisches Denkmal der Wasserkraft in den hohen Tauern.
Kölnbreinsperre, martialisches Denkmal der Wasserkraft in den hohen Tauern.Hopfmüller/Hlavac

Manche der üblichen Kärntner Verdächtigen bleiben ungenannt, bewusst, weil allseits bekannt. Hinzu kommt, dass in Kärntens Vergangenheit manches als Attraktion galt, was später verschrottet wurde, als Bankenruine herumsteht oder nur aus blankem Kalkül entstand. Was sehenswert ist, bleibt freilich immer subjektiv, kann frisch sein wie die Nudeln aus Finkenstein, gruselig wie der Metnitzer Totentanz oder viel diskutiert wie das Werk von Cornelius Kolig.
Anders als in der Flut oft selbstähnlicher und oft nur selbstreferenzieller Reisebücher vermittelt jenes von Hopfmüller und Hlavac vor allem weniger Bekanntes oder Vergessenes samt feinen Details – selbst für Einheimische. Ein kleines Beispiel dafür: die „heilige Kümmernis“, eine Art Conchita Wurst in einer Kirche im oberen Drautal. Die christliche Königstochter soll sich durch Bartwuchs ihrer Verheiratung an einen Heiden entzogen haben – solche Geschichten machten im Alpenraum des 15. Jahrhunderts die Runde. Ein großräumiges Beispiel hingegen, ein Lieblingsort: „Die Wiese oberhalb der Stouhütte in den Karawanken, im Frühling voller Narzissen“, erzählt Hopfmüller.

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