Mein Montag

Aus gegebenen Anlass: Schreiben Sie das nicht!

Vermutlich war es ein stocksteifer Sektionschef mit Monokel, der seiner Sekretärin erstmals die drei Wörter entgegenschmetterte.
Vermutlich war es ein stocksteifer Sektionschef mit Monokel, der seiner Sekretärin erstmals die drei Wörter entgegenschmetterte.(c) imago images / Panthermedia (´ronstik´ via www.imago-images.de)
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Über ein Sprachungetüm, das einfach nicht verschwindet – ob mit richtigem oder falschem Fall.

Mancher Phrase merkt man schon an, dass sie dereinst irgendeiner Bürokratenfestung entstiegen sein muss. Vermutlich war es ein stocksteifer Sektionschef mit Monokel, der beim Diktieren eines Textes seiner Sekretärin erstmals die drei Wörter entgegenschmetterte: „Aus gegebenem Anlass . . .“ Die Schreibkraft mag innerlich kurz zusammengezuckt sein, doch war ihr in diesem Moment wohl nicht bewusst, dass sie gerade die Stunde null einer der fortan wichtigsten Redewendungen des Beamtendeutsch miterlebt hatte.

Dass sich hinter dieser Phrase vor allem viel heiße Luft verbirgt, spielte keine Rolle. Sie breitete sich aus, kaperte Sätze, die einfach so vollkommen ausgereicht hätten, und lud sie mit einer Bedeutungsschwere auf, die alle Leser vor Ehrfurcht erstarren ließ. Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass die Toiletten im 2. Stock gesperrt sind. (Genau: „Die Toiletten im 2. Stock sind gesperrt“ beinhaltet die gleiche Information, auch ohne das vorgeschaltete Sprachungetüm.) Doch damit nicht genug. Denn wenn aus gegebenem Anlass ein gegebener Anlass gegeben ist, wird gern darauf vergessen, dass die Präposition „aus“ den Dativ verlangt. So wird immer wieder aus gegebenen Anlass der Akkusativ verwendet. Und dieses gegebene n schmerzt fast genauso wie die Redewendung an sich. Immerhin, dieser häufig gemachte Fehler fällt nicht ganz so auf, wenn man sich in der Geschäftskorrespondenz mit einer Abkürzung behilft – aber auch a. g. A. ist eher das Gegenteil von sprachlicher Eleganz, oder?

Fassen wir also aus gegebenem Anlass zusammen: Wenn es einen Anlass für etwas gibt, reicht es, die daraus folgende Konsequenz zu beschreiben. Dass es einen Anlass dafür gegeben hat, ist dann ohnehin klar. Und für die Phrase „aus gegebenem Anlass“ gibt es bitteschön überhaupt keinen Grund zur Veranlassung.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2021)

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