Pädagogik

Kindergärten: "Gehalt wird schlechter eingeschätzt als es ist"

Experte Koch warnt vor einer „Opfer-Darstellung“ und fordert eine realistische Bewertung ein. Das Gehalt sorge ohnehin für wenig Aufregung, heißt es seitens des Netzwerks elementare Bildung Österreich - die Gründe für den Personalmangel lägen anderswo.

Wien. Bernhard Koch, Elementarpädagogik-Experte an der Pädagogischen Hochschule Tirol, kritisiert einen „Opferdiskurs“ bei der Darstellung der Arbeit von Kindergartenpädagoginnen, der fähige Menschen davon abhalten könnte, den Beruf zu ergreifen. „Der Beruf ist besser als sein Image in den Medien“, ist Koch überzeugt. Zwar bekomme Elementarpädagogik im Vergleich zur Schulpädagogik weniger Wertschätzung. Das Gehalt werde aber bisweilen schlechter eingeschätzt, als es tatsächlich ist.

Anstelle geringer Einstiegsgehälter solle man die Gehälter im gesamten Lebensverlauf bewerten. Da komme man als gruppenführende Pädagogin nach zehn Dienstjahren in Vorarlberg etwa auf 3500 Euro brutto, in den höchsten Gehaltsstufen erhalten Fachkräfte bis zu 4200 Euro brutto. Wobei, so Koch, die Klage über niedrige Gehälter teilweise durchaus berechtigt ist. Das Image sei aber eben noch schlechter.

Es sollte nicht passieren, dass sich fähige und leistungswillige Menschen durch unrealistische Images von einer Arbeit in Krippe und Kindergarten abhalten lassen, so Koch. Er plädiert für eine realistische Darstellung der Stärken des Berufs wie flexible Arbeitszeiten, Krisensicherheit, Arbeitgeber in fast jeder Gemeinde, hohe Berufszufriedenheit und das Bewusstsein, einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der Kinder und für die Gesellschaft zu leisten.

NeBÖ: „Gibt kein Imageproblem"

Beim Netzwerk Elementare Bildung (NeBÖ), das sich für Verbesserungen in den Kindergärten einsetzt, kann man die Kritik nicht ganz nachvollziehen. Aus Sicht von Sprecherin Natascha Taslimi hat der Beruf ohnehin kein Image-Problem: Sowohl in den Kollegs als auch beim neuen Hochschullehrgang Elementarpädagogik für Quereinsteiger gebe es viele Bewerbungen. Bei der fünfjährigen Schulform an den Bundesbildungsanstalten für Elementarpädagogik (Bafep) würden Schülerinnen und Schüler teils lange Anfahrt in Kauf nehmen oder im Internat wohnen, um diese Ausbildung machen zu können. Kinder in einem Alter in ihrer Entwicklung zu begleiten, in dem sie so schnell und so viel wie nie wieder im Leben lernen, sei eine sehr schöne Aufgabe. "Das ist der Reiz für viele, die sich für diesen Beruf entscheiden", betont Taslimi.

Dass es dennoch Personalmangel gibt, hat laut Taslimi andere Gründe: Viele Absolventinnen der Bafep-Langform seien davon überfordert, mit 19 Verantwortung für 25 Kinder zu übernehmen, Elterngespräche zu führen oder das Bildungsgeschehen in der Gruppe zu planen und zu reflektieren. In der Steiermark würden viele ausgebildete Elementarpädagoginnen extra als Betreuerinnen arbeiten, weil man dabei weniger Verantwortung trage, so Taslimi. Unter den Kolleg-Absolventinnen und -Absolventen, die sich erst im Erwachsenenalter für die Ausbildung entscheiden, gingen 90 Prozent in den Beruf. Rund ein Drittel höre aber wegen der frustrierenden Rahmenbedingungen nach vier, fünf Jahren wieder auf.

Zu wenig Zeit, zu große Gruppen

Die zu großen Gruppen würden es schwer machen, auf die Bedürfnisse der Kinder angemessen einzugehen, es mangle an Zeit für Vorbereitung der Bildungsarbeit, Elterngespräche und den Austausch etwa mit Logopäden oder Volksschullehrern, nennt Taslimi Beispiele. Dazu kommen je nach Land unterschiedliche Rahmenbedingungen und eine Geringschätzung des Berufs, weil das Verständnis für frühkindliche Bildung fehlt, beklagt sie. Genau auf diese Mängel würden Initiativen und Netzwerke wie NeBÖ aufmerksam machen.

Das Gehalt sorge interessanterweise ohnehin für wenig für Aufregung - auch wenn es den Aufgaben und der Verantwortung der Pädagoginnen nicht angemessen sei und zumindest an jenes an den Volksschulen angeglichen werden solle, so Taslimi. Denn: "Dass in den Bundesländern unterschiedliche Gehälter gezahlt werden, ist in einem Staat nicht nachvollziehbar."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2021)

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