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Das mehrfach Unerträgliche am Begriff Femizid

Seit den 1990er Jahren vor allem in Lateinamerika gebräuchlich: „Femicide“
Seit den 1990er Jahren vor allem in Lateinamerika gebräuchlich: „Femicide“(c) APA/AFP/FREDERIC J. BROWN (FREDERIC J. BROWN)
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Bei Femizid denkt man im Deutschen unweigerlich (noch) an die bisher üblichen Wörter mit selber Endung – Insektizid, Pestizid.

Es ist ein grauenhaftes Wort in mehrerlei Sicht: Femizid. Aufgrund der damit gemeinten Tatsache, dass Frauen von Männern aus den immer selben geschlechtsspezifischen Gründen ermordet werden. Grauen erzeugt hier in Mitteleuropa aber auch der assoziative Klang dieses vergleichsweise neuen Begriffs: Lauten die bisher hier üblichen, ähnlich mit einer Ableitung von „caedere“ (lateinisch töten, morden) schließenden Bezeichnungen doch: Insektizid, Pestizid, Fungizid. Womit ein ganzes Geschlecht in die Nähe dessen gerät, was unter diesen Namen bisher ausgetilgt wurde – Schädlinge. Eine Verächtlichmachung, die kaum erträglich ist.

Das Wort Genozid könnte man jetzt einwenden. Mit „Völkermord“ hat dieser allerdings eine gleichbedeutende deutsche Bezeichnung, die abwechselnd, wenn nicht sogar öfters verwendet wird. „Frauenmord“ und Femizid aber sind nicht austauschbar. Ersterem fehlt die sich laut Femizid-Definition aus patriarchalen Prägungen ergebende Systematik.
Allein diese aufspüren – also zwischen patriarchalem System oder individuellem Grund unterscheiden – zu müssen, macht es schwierig: Für manche mag es hier nicht einmal diesen Unterscheid geben. Ein ebenso unerträglicher Rückschluss, wie ihn die bisherige, vieles so verharmlosende Berichterstattung erlaubte, in der man von „Beziehungsdrama“, „Familientragödie“ oder gar „Lustmord“ lesen musste. Mit derlei klischeehaften „Stories“ wurde unbewusst „menschlich“ relativiert, aus einer wie gottgegeben zu betrachtenden Tradition heraus verklärt, dass am Ende nur wieder eine Frau tot ist. Und es ein Mann war, der sie getötet hat.

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