Konjunkturprognose

Delta-Variante als dunkle Wolke über Osteuropas Konjunktur

FOLTIN Jindrich / WB
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Die auf Osteuropa und Zentralasien fokussierte europäische Entwicklungsbank EBRD hat die Wachstumsaussichten für ihre Region angehoben.

Für das gesamte von ihr betreute Gebiet erwartet die auf Osteuropa und Zentralasien fokussierte europäische Entwicklungsbank EBRD nun für 2021 ein Plus von 4,2 Prozent. Die Unterschiede sind aber groß. Während es in den osteuropäischen EU-Staaten ein Wachstum von 4,8 Prozent geben dürfte, werden es im Rest Osteuropas nur 2,8 Prozent sein, am Westbalkan 5,1 Prozent, in Russland 3,3 Prozent, in der Türkei 5,5 Prozent.

"Wir sind jetzt viel optimistischer als im September", fasst EBRD-Chefökonomin Beata Javorcik die Juni-Prognose ihres Hauses mit Blick auf Zentraleuropa, also den ehemals zu Osteuropa gehörenden EU-Ländern, zusammen. Die Mobilität der Menschen habe sich wieder erholt, die Produktion auch und besonders gut laufen die Exporte und auch bei den Dienstleistungen gibt es wieder einen Sprung nach oben. Die Wirtschaftsleistung der ganzen Region werde Ende 2021 um 0,7 Prozent über dem Vorkrisenjahr 2019 liegen.

Auch da gibt es aber wieder große Unterschiede. Das stark vom Tourismus abhängige Kroatien wird 2,9 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen, auch Tschechien, Slowenien, die Slowakei und Lettland erreichen das Vorkrisenniveau noch nicht. Litauen und Polen am anderen Ende des Spektrums schaffen hingegen von 2019 bis 2021 über zwei Prozent Wachstum.

Die größte Unbekannte und damit die größte Bedrohung für den erwarteten Aufschwung, der sich laut Prognose auch 2022 fortsetzen sollte, ist die neue, ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus. Sorge bereitet Javorcik dabei die Rate der Impfgegner, die nicht zu vernachlässigen sei. Hier sei die Politik gefordert, eine höhere Durchimpfung zu erreichen, sagt Javorcik mit Verweis auf Lotterien für Impfwillige in den USA. Verstärkt werde das Risiko durch die engen Verbindungen der zentraleuropäischen und baltischen Staaten mit Großbritannien, wo viele ihrer Bürger arbeiten. Wenn diese im Sommer Heimaturlaub machen, bestehe die Gefahr, dass sie das Delta-Virus mit im Gepäck haben.

Aber im Zusammenhang mit dem Virus gebe es sehr viele Unbekannte, gibt Javorcik zu bedenken. Vor einem Jahr sei sie von Journalisten laufend gefragt worden, warum Zentraleuropa so viel besser durch die Pandemie komme. Danach kam es aber in praktisch allen Ländern der Region zu einer Sterblichkeit über dem weltweiten Schnitt. "Am Ende sind diese Länder doch nicht so gut durch die Krise gekommen", stellt die Ökonomin fest.

Rein wirtschaftlich haben die zentraleuropäischen Länder hingegen in der Krise recht gut abgeschnitten. Den Beitrag der EU-Mitgliedschaft dazu zu beziffern sei schwierig, aber es gehe nicht nur um das Geld, das in der Krise geflossen ist. Vielmehr seien es die Strukturreformen, die die Länder vor und wegen dem Beitritt akzeptiert haben. Es sei verblüffend, wie viel besser sich die jetzigen, "neuen" EU-Länder entwickelt haben, als jene Staaten, die nicht den externen Reformdruck hatten. Dabei wurden die meisten Reformen vor dem Beitritt umgesetzt, mit der Mitgliedschaft ließ der Eifer spürbar nach, vermerkt Javorcik.

Das EU-Geld war aber natürlich auch wichtig, jedoch bei Geld gelte "ausgeben ist leicht, aber sinnvoll ausgeben ist schwer". Politiker tun sich angesichts kurzer Wahlzyklen schwer, in Projekte zu investieren, die sich erst langfristig lohnen. Da brauche es den Druck der EU - etwa wenn im Wiederaufbauplan im Voraus Projekte eingereicht und genehmigt werden müssen, damit Geld fließt. Langfristig investieren sei in den osteuropäischen EU-Staaten besonders schwer, weil die Bevölkerung rasch altere. Ältere Menschen geben zwar häufiger ihre Stimme ab, aber sie sind mehr an der Umverteilung heute als an Zukunftsinvestitionen interessiert - umso mehr, wenn ihre Kinder im Ausland leben, sagt Javorcik.

(APA)

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