Konjunktur

Felbermayr: Grüne Energie muss billiger werden

IfW-Präsident Gabriel Felbermayr: Eurozone tut sich langfristig schwer mit dem Wachstum
IfW-Präsident Gabriel Felbermayr: Eurozone tut sich langfristig schwer mit dem WachstumAPA/HERBERT PFARRHOFER
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"Die USA haben sich diese zweite Delle erspart und kommen daher viel besser aus der Krise", sagt der designierte Wifo-Chef. Europa könne Klima nicht allein retten.

Europa benötigt nach den Worten von IfW-Präsident Gabriel Felbermayr einen massiven und überproportionalen Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei müssten saubere Energieformen und die dafür nötigen Grün-Technologien billiger werden und am Ende auch ohne Subventionen auskommen, verlangte der designierte Wifo-Chef am Dienstag in Wien. Europa allein werde mit knapp einem Zehntel des weltweiten CO2-Ausstoßes das Klima nicht retten können, "wir brauchen ein globales Mitmachen".

Eine CO2-Bepreisung sei nötig, aber nicht mit dem Argument, dass etwas "teurer" werden solle, sondern um einen Lenkungseffekt und dennoch erschwingliche Preise zu haben. Deshalb sollte man "nicht den deutschen Weg nachmachen", bei dem Energie, auch erneuerbare, teuer sei, so Felbermayr: "Es gibt keine Lenkungswirkung, aber höhere Preise für die Haushalte." Der Experte: "Wir brauchen auch in Österreich eine CO-Bepreisung, aber auch Maßnahmen, die die Kosten dämpfen - das wird zu wenig diskutiert."

90 Prozent des Klimawandels komme von außerhalb der EU, die Europäische Union stelle nicht einmal mehr zehn Prozent der globalen Emissionen, sagte Felbermayr bei einer Veranstaltung des Stromkonzerns Verbund. Er frage sich jedoch, ob es in Europa noch die Ausbaupotenziale für Erneuerbare gebe. In Österreich sei der Anteil der Erneuerbaren relativ hoch, in Europa müsse da aber noch sehr viel passieren. "Wir werden enorme Zusatzbedarfe an Strom haben - woher soll der kommen, frage ich mich." Schließlich wolle man sich auch die Landschaft bewahren. "Man kann aus Oberösterreich oder Niederösterreich nicht ein neues Sachsen-Anhalt oder Thüringen machen, wo die Landschaft schon geprägt ist durch Windräder", so der 1976 in Steyr (OÖ) geborene Ökonom.

Raumordnung gefragt

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl sagte, hier sei die Raumordnung gefragt, konkret die heimischen Bundesländer. Österreich habe heute schon zu drei Viertel Erneuerbaren-Strom. Bis zum Jahr 2030 solle die Erzeugungskapazität von 73 Terawattstunden (TWh) um weitere 27 TWh erhöht werden, davon 11 TWh solar, 10 TWh durch Windkraft, 5 TWh durch Wasserkraft primär aus mehr Effizienz in bestehenden Anlagen sowie 1 TWh aus Biomasse. Bei Photovoltaik (PV) werde man auch in die Freifläche gehen müssen, so Strugl.

Zu Klimaschützer-Wünschen, dass der Energieverbrauch in Österreich um ein Drittel gesenkt werden sollte, wie dies der Klimakonferenz-Jugenddelegierte Michael Spiekermann von Fridays For Future in einer kurzen Zuspielung erklärte, betonte Strugl, dass dies für Strom nicht gelte, weil die Elektrizität ja fossile Energieträger ersetzen solle. "Wir werden mehr Strom produzieren", so der Verbund-Chef, der aktuell auch Präsident des Branchenverbandes Oesterreichs Energie ist - und dies obwohl die Internationale Energieagentur (IEA) für 2030 von sieben Prozent weniger globalem Energiebrauch trotz 40 Prozent Weltwirtschaftswachstums ausgehe. Und die EU-Kommission werde die Effizienzziele wohl von ein bis zwei Prozent im Jahr in Richtung vier Prozent anheben.

Für Wasserstoff würden fast alle Expertinnen und Experten davon ausgehen, dass dies ein "Schlüssel" bei der Energiewende sei. Wasserstoff sei leicht speicherbar und könne durch Elektrolyse aus Überschussstrom gewonnen werden, so Strugl. Felbermayr plädierte dafür, Wasserstoff in Europa "schnell marktfähig" zu machen, hier sollte man "nicht kleckern, sondern klotzen". Ob Europa ausreichend innovativ sei? "Eindeutig nein", antwortet der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) der Moderatorin. Von den 750 Mrd. Euro an neuem EU-Geld "geht leider nur ein kleiner Teil in die Innovation". Dass die Finanzströme "grüner" werden sollen, sieht Felbermayr derzeit noch als einen "Hype" an, denn an den Börsen würden sich bei Aktien großer Mineralölkonzerne noch keine Abschläge im Kurs zeigen. "Glaubt der Markt an das Pariser Abkommen - schon damals wurde die Dekarbonisierung der Finanzströme verankert -, dann müssten die 'Besseren" belohnt werden am Markt", so der Ökonom.

USA wachsen davon

Wegen der enormen Konjunkturprogramme der USA und aus strukturellen Gründen wachse die Wirtschaft der Vereinigten Staaten auch jetzt nach der Coronakrise schneller als die europäische. Bereits vor der Krise seien die USA der Eurozone mit ihrer relativen schwachen Dynamik gewaltig davongewachsen, sagte Felbermayr.

Die Eurozone sei stärker eingebrochen und im vierten Quartal 2020 sowie im ersten Quartal 2021 geschrumpft. "Die USA haben sich diese zweite Delle erspart und kommen daher viel besser aus der Krise", meinte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Das sei kein neues Phänomen - die Wachstums-Türmchen seien in der Eurozone geringer.

Die Coronakrise habe Europa diverser und ungleicher gemacht - einzig das Baltikum, Rumänien, Luxemburg und Irland hätten in dieser Zeit etwas profitieren können. Aber insgesamt sei das vergangene Jahr für die Eurozone ein "annus horribilis" gewesen. Aktuell brumme die Wirtschaft jedoch bei aller Heterogenität "überraschend stark".

Für die transatlantische Zusammenarbeit gebe es keine Alternative. Von der enormen Erfolgsgeschichte Chinas in den letzten Jahrzehnten habe auch Österreich profitiert, etwa im Bereich Maschinenbau. Nach Kaufkraftparitäten seien wir von China bereits überholt worden, in laufenden Dollar gerechnet hätten noch die USA die Nase vorn. China werde es bis 2040 auf knapp ein Viertel des weltweiten BIP schaffen, dabei aber "steckenbleiben", weil das Land "früher alt" werde; 2020 lag China bei 19 Prozent des globalen BIP. EU und USA gemeinsam würden von 31 Prozent bis 2040 auf 27 Prozent zurückfallen.

Die Eurozone tue sich langfristig schwer mit dem Wachstum, der europäische Binnenmarkt sei das einzige Asset. Im geostrategischen Wettbewerb sei es daher wichtig, wie der Binnenmarkt gestaltet sei. Denn anderen Ländern gehe es auch "ganz knallhart um politische Macht", so Felbermayr. "China macht das sehr gut, auch mit der 'Neuen Seidenstraße'. Wir müssen uns strategisch fragen, wie gehen wir mit einem solchen Land um." Handelspartnern sollte nahegebracht werden, dass sie die Umwelt- oder Technologiestandards oder die europäische Datenschutzgrundverordnung akzeptieren müssten, um "hereinkommen" zu können. Zur transatlantischen Zusammenarbeit gebe es keine Alternative.

Es sei sehr klug, dass Europa nicht so stark auf die Tube drücke, also nicht so leicht durch Schuldenaufnahme Geld für die Konjunktur lockermachen könne wie die US-Notenbank Fed, argumentierte Felbermayr, der seine neue Funktion in Wien am 1. Oktober antreten wird. Eine Inflation von fünf Prozent wie in den USA, die Kehrseite der Medaille, sollte man sich wegen der dadurch drohenden Lohn-Preis-Spirale nicht wünschen.

(APA)

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