Kritik

Bach im Konzerthaus: Archaisches, das tönt wie neu

Johann Sebastian Bach
Johann Sebastian BachPrint Collector/Getty Images
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Jubelstürme für geistliche Musik ernteten Bachs Motetten mit der Company of Music unter Johannes Hiemetsberger.

„Jesu, meine Freude“: Wie die Melodiestimme stufenweise von der Quint in den Grundton hinabsteigt, das gräbt sich ins Gedächtnis ein. Gerade weil hier kein exaltierter Jubel erklingt, sondern vielmehr mit ernster Miene eine Glaubensgewissheit formuliert wird – unverbrüchlich, ehern und streng. Johann Crüger hat die Melodie geschaffen, ein halbes Jahrhundert vor Johann Sebastian Bachs Geburt, in einem älteren, kargen Stil. Bach macht sie dann zur Grundlage einer Motette unter demselben Titel. Nicht nur im eröffnenden Choral bildet die einleitend zitierte Formel das A und O.

Diese e-Moll-Kadenz kehrt auch in den Variationen wieder. Zwischen sie schieben sich in groß angelegter Symmetrie Vertonungen von Versen aus dem Römerbrief des Paulus – oft fünfstimmig polyphon, tänzerisch und vielgestaltig.

Was am Montag das Publikum im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses in Jubelstürme versetzte, war gewissermaßen eine Spätlese – und das in vielfacher Hinsicht. Zum einen, weil dieser Abend mit dem Vokalensemble Company of Music unter dessen Gründer und Leiter Johannes Hiemetsberger pandemiebedingt dreimal hatte verschoben werden müssen und nun erst, zum Finale der Saison, stattfinden konnte. Zum anderen grüßt der Korpus von Bachs Motetten (BWV 225–230) ohnehin aus einer ferneren Vergangenheit herüber: Sie verweisen nach allen Regeln der Satzkunst auf die Vokalpolyphonie der Renaissance.

Schwere Aufgabe, bravourös gemeistert

Bei der Company of Music versteht es sich freilich wie von selbst, dass diese geistlichen Werke zu einer Musik der Gegenwart werden. Ob nun doppelchörig oder konzertant, im dichten Koloraturwirbel oder im schlichten Choral: Überall stand die Verbindung aus plastischem Vortrag und Klangschönheit, Beweglichkeit und Versenkung, Jubel und Andacht im Vordergrund – und so manches Archaische tönte dabei wie neu und eben erst erfunden.

Alle sechs Motetten, die fünf authentischen und das vermutlich nur in einer Bearbeitung von späterer Hand überlieferte „Lobet den Herren, alle Heiden“ (BWV 230), sind keine leichte Aufgabe, die hier aber bravourös gemeistert wurde – garniert nur durch zwei solistische Intermezzi, die Menuette aus der Partita BWV 825 und das g-Moll-Präludium BWV 885 des Organisten Johannes Zeinler, der die Continuo-Gruppe anführte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2021)

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