Kunstlicht

Wenn schon Kunst zu Markte tragen, dann gleich als Haut

KHM Museumsverband
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Eine neue T-Shirt-Edition zeigt Parmigianinos Selbstporträt im konvexen Spiegel. Mir wäre Sofonisba Anguissolas „Selfie“ lieber.

Oft habe ich es nicht getragen, mir fehlte der Mut. Aber für Bayreuth, wo Hermann Nitsch eine konzertante „Walküre“ aktionistisch begleiten wird, packe ich es in den Koffer: mein Nitsch-Leiberl, 2005 erworben in der Saatchi Gallery in London. Den ganzen Exzess von Tod und Leben am eigenen Leib vor sich herzutragen, so etwas tut man schließlich nicht unbedacht.

Es ist ja interessant, welche Kunst sich Menschen anscheinend auf ihrem Körper wünschen. Abzulesen am Angebot, das am originellsten noch im Kunsthistorischen Museum ist: Dort kann man etwa selbst in den opulenten Oberkleid-Schmuck schlüpfen, in dem Frans Pourbus d. J. die Habsburgerin Maria Magdalena, Großherzogin der Toskana, um 1603/1604 abgebildet hat. Schaut toll aus, nur sollte man wissen, dass selbige Großherzogin nicht nur als verschwenderisch, sondern auch als bigott galt. Sie soll ihrem Sohn Ferdinando II. de Medici eine Liste schwuler Florentiner Promis mit der Forderung überreicht haben, sie den Feuertod erleiden zu lassen. Worauf er den eigenen Namen dazu schrieb – und die Liste ins Feuer warf.

Nun gut. Das dürfte dem Absatz dieser schmucken T-Shirts nicht unbedingt förderlich sein. Vergleichsweise harmlos dagegen der jüngste Zuwachs der textilen KHM-Sammlung, herausgegeben nur in einer auf 100 Stück limitierten Edition (die Hälfte ist schon weg) mit „Helmuts Art Club“: Aus der Verpackung, einem Pizzakarton, zieht man das auf Biobaumwolle gedruckte berühmte Selbstporträt von Parmigianino im Konvexspiegel. Angepriesen wird das Motiv als „erstes Selfie“ der Kunstgeschichte, in das man nunmehr fürs heutige Selfie selbst schlüpfen kann. Fast schon ein subversiver Akt also.

Warum aber erstes Selfie? Selbstporträts gab es schon lang vor 1524, als der in Parma geborene Maler, der als neuer Raffael gefeiert wurde, nach Rom zog. Im Gepäck dieses hypnotische Selbstbildnis, mit dem sich der 21-Jährige in kostbarem Pelz mit Spitzenbesatz an den Ärmeln als Malerfürst inszenierte. So wollte er Papst Clemens VII. imponieren, ihm seine Virtuosität beweisen. Viel wurde nicht daraus, er verstarb im jungen Alter von 37 wieder zu Hause in Parma.

Gut, man könnte die verzerrte Optik mit einem Handyfilter vergleichen, die Inszenierung mit dem Selfie-Posing. Dennoch solle man Dürer seinen Rang als Selfie-Erfinder lassen. Das T-Shirt lasse ich also aus. Falls aber jemand das Bedürfnis verspüren sollte, das Selfie der Sofonisba Anguissola von 1554 auf Biobaumwolle zu bannen – go for it!

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

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