Staatsbürgerschaft

EuGH-Anwalt: Wien bei Einbürgerung zu streng

Der EuGH in Luxemburg
Der EuGH in LuxemburgBenedikt Kommenda
  • Drucken

Die Landesregierung widerrief die Zusage der österreichischen Staatsbürgerschaft an eine EU-Bürgerin ohne ausreichenden Grund, meint EU-Generalanwalt Maciej Szpunar.

Österreich muss sich möglicherweise vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sagen lassen, dass die Behörden eine bereits erfolgte Zusage einer Einbürgerung zu leichtfertig zurückgezogen haben. Darauf deuten die am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträge von Generalanwalt Maciej Szpunar hin. In dem Fall (Rechtssache C-118/20) ist eine in Österreich lebende Estin staatenlos geworden; daher ist sie auch nicht mehr EU-Bürgerin.

Die Frau lebte zuerst in Niederösterreich, dann in Wien. Aufgrund der Zusage der NÖ Landesregierung, hier eingebürgert zu werden, sofern sie ihre bisherige Staatsbürgerschaft zurücklegt, gab sie ihren estnischen Pass ab. Drei Jahre später – die Frau war mittlerweile nach Wien übersiedelt – widerrief die Wiener Landesregierung die Zusicherung. Denn die Frau habe derart schwerwiegende Verwaltungsübertretungen begangen, dass sie das Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verloren habe: Sie habe es unterlassen, an ihrem Auto die vorgeschriebene Begutachtungsplakette – vulgo Pickerl – anzubringen, und sie sei alkoholisiert am Steuer erwischt worden.

Verkehrssicherheit beeinträchtigt

Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte, dass diese Delikte gravierend genug seien, um die Einbürgerungszusage zurückzuziehen: Das eine könne die öffentliche Verkehrssicherheit beeinträchtigen, das andere die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer. Auch acht frühere Verwaltungsübertretungen würden Zweifel am künftigen Wohlverhalten der Frau schüren.

Die Frau wandte sich daraufhin an den Verwaltungsgerichtshof und weckte dort Zweifel, dass der Widerruf der Einbürgerung zulässig war. Dieser sei zwar vom Staatsbürgerschaftsgesetz gedeckt gewesen; allerdings könnte die Behörde die Vorgaben des Abkommens zur Vermeidung von Staatenlosigkeit nicht ausreichend berücksichtigt haben: Demnach muss geprüft werden, ob der Widerruf unverhältnismäßig in die Situation der Einbürgerungswerberin eingreift.

Führerschein nicht entzogen

Und genau diesen überschießenden Eingriff ortet nun Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen. Die Estin hat nicht nur ihre Unionsbürgerschaft verloren; sie kann ihre frühere Staatsbürgerschaft erst wieder bekommen, wenn sie acht Jahre neuen Wohnsitz in Estland nachweisen kann. Da die Verwaltungsübertretungen nicht gravierend genug waren, um einen Führerscheinentzug zu rechtfertigen, verletze der Widerruf der angekündigten Einbürgerung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Schlussanträge von Generalanwälten sind für den EuGH nicht verbindlich; sie geben aber sehr häufig die Richtung von dessen Entscheidung vor.               

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.