Weil die Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind, könnte es zu langen Wartezeiten, Menschenansammlungen – und damit wieder zu Gesundheitsrisken kommen.
Seit dem gestrigen Donnerstag und damit rechtzeitig zu Beginn der Hauptreisezeit ist das EU-weit gültige digitale Zertifikat (Grüner Pass) offiziell in Kraft. Neben den 27 Mitgliedstaaten wird das Zertifikat auch in der Schweiz, Island, Norwegen und Lichtenstein anerkannt. Mit einem QR-Code können Reisende nachweisen, dass sie geimpft, getestet oder genesen sind. Nach Angaben der EU-Kommission wurden bis gestern etwa 200 Millionen solcher Zertifikate ausgestellt.
Einem unbeschwerten Urlaubsantritt sollte demnach nichts mehr im Wege stehen – jedenfalls in der Theorie. Denn die konkreten Vorschriften für eine freie Einreise liegen bei den einzelnen Mitgliedstaaten. So haben Testergebnisse nicht überall die gleiche Gültigkeitsdauer. Auch die Frist, ab wann eine Impfung anerkannt wird, ist je nach EU-Land unterschiedlich geregelt – meist ist dies 14 Tage nach der Vollimmunisierung der Fall. Einige Mitgliedstaaten verlangen von Einreisenden eine Registrierung vor der Ankunft.
Weil sich die Bestimmungen zudem laufend ändern, sind Urlauber gut beraten, sich noch zu Hause genau über die Vorgaben im Zielland zu informieren: Auf der Seite reopen.europe.eu (oder mittels App reopen eu) erhält man aktuelle Informationen zur Einreise, Durchreise, Masken- oder Quarantänepflicht und andere aktuelle Bestimmungen vor Ort.
System „gegenseitigen Vertrauens“
Doch angesichts des Flickenteppichs an Vorschriften in den EU-Ländern befürchten Vertreter der seit Beginn der Pandemie ohnehin stark gebeutelten Luftfahrtindustrie ein „Chaos“ auf europäischen Flughäfen, sobald die Reisewelle in den kommenden Wochen einmal richtig anläuft. In einem gemeinsamen Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs fordern Manager der International Air Transport Association (Iata), des Internationalen Flughafenrats (Aci) und anderer Vereinigungen unter anderem, das digitale Zertifikat noch vor Ankunft auf dem Flughafen – etwa während des Online-Check-ins – auf Echtheit zu überprüfen. Nur so ließen sich große Menschenansammlungen, lange Schlangen vor den Schaltern und damit neue Gesundheitsrisken für die Passagiere verhindern, heißt es in dem Brief.
Die EU-Kommission sieht das ganz ähnlich: Das System des Grünen Passes beruhe auf „gegenseitigem Vertrauen“. Die Brüsseler Behörde rät den Mitgliedstaaten daher in einer eigens ausgegebenen Empfehlung dringend davon ab, auf Flughäfen für ankommende Passagiere „systematische Checks“ durchzuführen. Dafür sei die Infrastruktur der Airports schlicht nicht ausgelegt, so die Kommission – besonders nicht jene Bereiche innerhalb des Schengen-Raums, wo im Normalfall ja nur willkürliche Überprüfungen einzelner Reisender stattfinden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2021)