Kritik

Streit um Abschiebung: Asylamt kritisiert Gericht

Hätte der 18-jährige Afghane vor der mutmaßlich verübten Tat abgeschoben werden können? Darüber gehen die Meinungen im Asylamt und im Bundesverwaltungsgericht auseinander.
Hätte der 18-jährige Afghane vor der mutmaßlich verübten Tat abgeschoben werden können? Darüber gehen die Meinungen im Asylamt und im Bundesverwaltungsgericht auseinander. Die Presse, Jenis
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Das Bundesasylamt will nicht daran schuld sein, dass der mittlerweile unter Mordverdacht stehende Afghanistan-Flüchtling A. nicht schon früher abgeschoben wurde. Das Bundesverwaltungsgericht aber auch nicht.

Nach dem gewaltsamen Tod eines 13-jährigen Mädchens – ihre Leiche war an einen Baum gelehnt in der Donaustadt gefunden worden – stehen mittlerweile drei afghanische Flüchtlinge unter Verdacht, nach einem vierten, mehrfach vorbestraften Afghanen wird gefahndet. Einer der Verdächtigen, A. (er gilt als 18-jährig, das genaue Alter ist fraglich) hatte lange vor der Tat seinen Schutz-Status verloren. Trotzdem war er im Land. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) kritisiert daher das Bundesverwaltungsgericht.

Zur Erklärung: Zunächst prüft das BFA, ob einem Asylwerber der Status eines anerkannten Flüchtlings verliehen werden kann.
A. war während der Flüchtlingskrise, 2015, als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich gekommen – er wurde damals als 12-Jähriger in die Akten aufgenommen. Per Bescheid wurde ihm bescheinigt, kein Asyl zu bekommen. Jedoch gewährte man ihm im Oktober 2016 subsidiären Schutz (das heißt: man ging von einer abstrakten Bedrohungslage im Heimatland aus). Bei dieser Einschätzung musste in besonderer Weise auf die Menschenrechtskonvention Rücksicht genommen werden – A. war damals ja noch minderjährig.
Subsidiärer Schutz kann laut Asylgesetz etwa dann wieder aberkannt werden, wenn der Fremde wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wird.

Tatsächlich wurde A. im November 2018 als Drogenhändler verurteilt. Die Strafe fiel milde aus: zwei Monate bedingt. Diese Verurteilung reichte aber nicht, um ein Aberkennungsverfahren in Bezug auf den Schutz-Status einzuleiten. Nur ein paar Monate später, im Juli 2019, fasste A. seine nächste Verurteilung als Drogenhändler aus. Die Strafe war wieder moderat: zehn Wochen bedingt. A. musste also weiterhin nicht ins Gefängnis. Aber das BFA hatte nun einen Ansatzpunkt, es konnte von gewerbsmäßigem Suchtgifthandel ausgehen und ein Aberkennungsverfahren einleiten.

A. verlor den subsidiären Schutz. Und bekam sechs Jahre Einreiseverbot aufgebrummt. Aber das blieb eine rein formale Entscheidung. Denn A. durfte weiterhin wegen Minderjährigkeit de facto nicht abgeschoben werden.

Zuwenig Richter: Rückstau

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe, MA 11, setzte sich für A. ein – indem sie im November 2019 eine Beschwerde gegen den BFA-Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einbrachte. Um es kurz zu machen: Darüber wurde bis heute nicht entscheiden.

Im BVwG verweist man auf Überlastung seit dem Jahr 2014. Allein Afghanen haben seither 36.603 Beschwerden gegen Asylbescheide eingebracht. Davon wurden immerhin 32.855 erledigt. Mehr als 3700 sind noch anhängig. Wegen Richtermangels können mehr als die Hälfte der Verfahren nicht während der gesetzlichen Frist entschieden werden.

Das BFA weist indessen daraufhin, dass das BVwG mittlerweile grünes Licht für eine Abschiebung von A. geben hätte können. Denn: Die Ausgangssituation hat sich geändert – A. ist bereits volljährig.

Im Gericht heißt es wiederum abwehrend, das BFA hätte ja einen Fristsetzungsantrag stellen und so die Sache beschleunigen können. Allerdings muss ein solcher Antrag an den Verwaltungsgerichtshof gehen – und der wiederum müsste dem BVwG auftragen, rasch zu entscheiden.

BFA-Direktor Gernot Maier: „Solange das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht noch offen ist, kann das BFA nicht abschieben. Das heißt, dass der Betroffene auch weiterhin einen subsidiären Schutzstatus in Österreich hat, solange keine Entscheidung vorliegt.“

Da war noch etwas: Im Juni 2020 wurde A. wieder rechtskräftig verurteilt. Diesmal kam zu Drogenhandel räuberischer Diebstahl dazu. Das BVwG ist darüber informiert worden.

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