Expertentalk. Was fehlt der Geschäftswelt zu echter digitaler Fitness – und was hat dies mit der Ausbildung von Softwareexperten, Unternehmergeist und smartem Wachstumskapital zu tun? Antworten von Helmut Fallmann, Mitgründer der Fabasoft AG.
Herr Fallmann, man sagt, die Pandemie und die Einschränkung der direkten Kontaktmöglichkeiten haben weltweit einen Digitalisierungsschub bewirkt. Ist die Geschäftswelt nun endlich digital fit?
Die Notwendigkeit einer integralen Digitalisierung der Geschäftsprozesse ist im vergangenen Jahr endgültig in den Köpfen der Chefetage der Unternehmen angekommen. Das ist zweifelsohne eine Folge der Pandemie. Davor haben ja viele Unternehmer angenommen, dass sie mit Scannen und Mailen schon auf einem guten digitalen Weg sind. Was natürlich viel zu kurz gedacht war. Während der Pandemie wurden der Segen von Videokonferenzen und die digitale Kommunikation aus dem Homeoffice entdeckt. Das ist ein guter Schritt. Aber es geht bei der Digitalisierung im Sinne optimierter Geschäftsprozesse eigentlich um viel mehr. Es geht um organisationsübergreifende digitale Vorgänge und darum, den digitalen Schub über die gesamte Customer Journey hinweg auf digitalen Plattformen für eine Steigerung der Produktivität zu nutzen. Da liegt noch einiges im Argen und da muss noch vieles verbessert werden.
Können Sie das anhand eines konkreten Beispiels erläutern?
Denken wir an die im Grunde einfachen Vorgänge beim Kaufen oder Leasen eines Autos, die noch immer nicht komplett über den digitalen Weg möglich sind. Die Vision wäre, dass analoge Dokumente überflüssig werden, indem eine Durchgängigkeit digitaler Datenflüsse etabliert wird. Es sollten alle für den Autokauf nötigen Schritte digital abgewickelt werden können, und das zwischen allen Beteiligten, sprich Banken, Versicherungen, Leasinggesellschaften, Händlern und Käufern. Die Idealvorstellung ist die eines digitalen Teamraums, in dem Daten ungehindert fließen, Verträge über digitale Signaturen abgeschlossen werden und verifizierte Informationen quasi in Echtzeit allen zur Verfügung stehen. Das ebnet der Transparenz der Prozesse und der Vergleichbarkeit von Angeboten den Weg, macht den gesamten Vorgang wesentlich effizienter und somit auch kostengünstiger. Von solchen unternehmensübergreifenden digitalen Prozessen sind wir leider immer noch ein gutes Stück entfernt.
Woran liegt es? Welche Hürden gibt es auf dem Weg zu dieser von Ihnen beschriebenen Vision einer durchgängigen Digitalisierung?
Da gibt es einige Gründe. Zum einen liegt es daran, dass allgemein noch kein ausreichendes Vertrauen zu vollständig digitalisierten Services und zum ungehemmten Datenfluss etabliert werden konnte. Was geschieht mit den Daten? Wie wird damit umgegangen? Sind sie in sicheren Händen? Diese berechtigten Fragen sind leider von vielen Unternehmen noch nicht ausreichend glaubwürdig beantwortet worden. Dabei ist das eine essenzielle Voraussetzung für ein Vorankommen bei der Digitalisierung. Da geht es um Sicherheit und Datenschutz entlang der gesamten geschäftlichen Prozesskette. Man muss und will sich etwa darauf verlassen können, dass in der Cloud alles mit rechten Dingen zugeht. Dafür haben Cloudanbieter Sorge zu tragen, indem sie sich externen Auditierungen stellen und zertifizieren lassen.
Zertifizierungen als vertrauensbildende Maßnahmen?
Selbstverständlich. Fabasoft ist diesbezüglich übrigens eine weltweite Pionierin. Wir waren schon 2016 mit unserer 5-Sterne-Zertifizierung die sicherste Cloud der Welt und sind heute das erste Unternehmen, das den höchsten Compliance-Level des EU Cloud Code of Conduct (CoC) erreicht hat. Der CoC entspricht einer Reihe von Anforderungen, die es Cloud- Dienstanbietern ermöglichen, ihre Übereinstimmung mit der DSGVO zu demonstrieren. Wenn Unternehmen – so wie wir es tun – bereit sind, ihre Datenschutzkompetenz zu beweisen, wenn sie für Audits von externen Organisationen keine Kosten scheuen und sich tief in die eigene Firmen-DNA schauen lassen, dann erzeugt dies das notwendige Vertrauen für digitale Datenflüsse.

Für die von Ihnen beschworene erfolgreiche Digitalwirtschaft braucht es aber nicht nur Vertrauen in die Datenströme, sondern auch ein bestens ausgebildetes IT-Personal, das diesen Fluss in Bewegung bringt.
Das ist völlig richtig, und in diesem Sinne braucht es meiner Ansicht nach in Österreich dringend eine bessere Verzahnung von Wirtschaft und Hochschulen. Als europäisches Paradebeispiel dient etwa die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, kurz RWTH Aachen: Das dortige Aachen Institute for Advanced Study in Computational Engineering Science (AICES) wird von 15 Instituten aus vier Fachgruppen der RWTH Aachen getragen. Außerdem wird eng mit der Industrie und anderen Forschungseinrichtungen wie dem Massachusetts Institute of Technology zusammengearbeitet. Das muss auch unser Ziel in Österreich sein, nämlich eine möglichst internationale und interdisziplinäre Ausbildung von Doktoranden an den Schnittstellen Mathematik, Informatik und Ingenieurwissenschaften. Die frühe Kooperation solcher Ausbildungsstätten mit Unternehmen sorgt für enorme Branchenimpulse und fördert grundlegendes unternehmerisches Denken.
Hat man in Europa im Allgemeinen und in Österreich im Speziellen bezüglich des unternehmerischen Denkens einen Nachholbedarf?
Sagen wir, es gibt noch vieles zu verbessern und einiges an brachliegendem Potenzial. Österreich ist zwar grundsätzlich gut positioniert, was die Start-up-Szene und auch die unternehmerische Genetik betrifft. Woran es aber manchmal hapert, ist der Wille zum langfristigen Unternehmertum. Das ist nicht zuletzt eine Frage des Unternehmerspirits, der hierzulande nicht ausreichend gefördert wird. Ein Beispiel dazu aus der Ausbildungslandschaft: An vielen Universitäten in den USA ist es völlig normal, dass im Sommer die Studienpause zu Entrepreneurship- Lehrgängen genutzt wird, während die Pforten an unseren Unis fest geschlossen sind. Das ist schade, weil man es insgesamt verabsäumt, den Unternehmergeist zu pushen und Unternehmertum positiv darzustellen. Da braucht es einen Stimmungswandel, um nicht nur das grundsätzlich vorhandene Innovationsfeuer zusätzlich anzufachen, sondern auch einen Beitrag für einen nachhaltigen unternehmerischen Atem zu leisten.
Was können Politik und Wirtschaft dazu beitragen?
Man könnte zum Beispiel Fördergelder sinnvoll umlenken. Im Moment ist es in Österreich so, dass es eine sehr gute Erstfinanzierung zur Unternehmensgründung gibt. In Sachen Start-up-Förderung kann man sich nicht wirklich beschweren. Das birgt aber zugleich das Problem, dass einiges an Geld auch in Jungunternehmen fließt, denen es an unternehmerischem Plan fehlt, um langfristig erfolgreich zu sein. Ich würde deswegen ein Modell begrüßen, bei dem staatliche Kapitalmittel vermehrt über Forschungsgelder an Universitäten fließen, um ein präkompetitives Forschungsfeld zu schaffen, in dem Studierende ihre Ideen erproben und Geschäftsmodelle reifen lassen können. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn Jungunternehmer zwar in der Unternehmensgründung großzügig gefördert werden, sie aber in der Expansionsphase nicht über ausreichend Kapital verfügen und so die Früchte ihrer Arbeit nicht ernten.
Das ist speziell in der Softwarebranche sehr oft der Fall. Die etwa von der EU definierte Start-up-Dauer von sieben Jahren entspricht hier nicht den realen Gegebenheiten. Bei Softwareunternehmen braucht man eher zehn bis zwölf Jahre Geduld, um wirtschaftlichen Erfolg einschätzen zu können. So lange muss ein Kapitalgeber zumindest an Bord sein, damit das Schiff nicht untergeht. Kurzum: Es fehlt in Österreich an Wachstumskapital, und die Wirtschaft muss hier mit „Smart Money“ einspringen, wenn man verhindern will, dass Jungunternehmer den Exit wählen und Intellectual Property aus dem Land abwandert.
„Smart Money“ ist ja der Schlüsselbegriff für das partnerschaftliche Modell, das Fabasoft Digitalunternehmen anbietet. Was genau verstehen Sie darunter?
Smart Money steht für eine intelligente Form der Finanzierung, bei der wir uns mit einem Mehrheitsanteil an Digitalunternehmen beteiligen und damit beim Wachsen helfen. Smart ist daran, dass nicht bloß pure Finanzkraft eingebracht wird, sondern wir auch mit unserem Netzwerk an erprobten Beratern, Kontakten und Kunden, die wir im B2B-Bereich im Laufe der Jahrzehnte akquiriert haben, zur Seite stehen. Unser Modell sieht ein gemeinsames, partnerschaftliches Arbeiten in strategischer Hinsicht vor. Wir tragen durch unsere Erfahrung zur Professionalisierung der Unternehmen bei, bereiten diese auf ein solides Wachstum vor und begleiten diese Phase.
Wir nehmen dabei unter anderem die Rolle eines finanziell potenten Organisationsentwicklers ein, ohne die Gestaltungsmacht der von uns unterstützten Unternehmen anzugreifen. Wir vergrößern damit als Partner den Tätigkeitsraum von Digitalunternehmen, die im Bereich von dokumentenintensiven Geschäftsprozessen und Fachanwendungen zu Hause sind. Dass wir das alles können, haben wir übrigens mit den Erfolgsgeschichten von Mindbreeze und Xpublisher, unseren ersten beiden Partnerschaften, bereits bewiesen. Man könnte sagen – um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Das ist unser Beitrag, um die Geschäftswelt endgültig digital fit zu machen.
ZU FABASOFT
Das Linzer Softwareunternehmen Fabasoft steht für Digitalisierung, Beschleunigung und Qualitätssteigerung von Geschäftsprozessen im Bereich Business-to-Business. Ein weiterer Schwerpunkt ist die strategische Beteiligung an jungen IT-Unternehmen. Fabasoft zählt zu den führenden europäischen Softwareherstellern und Cloud-Dienstleistern. Der 1988 gegründete Konzern hat seinen Hauptsitz in Linz und unterhält Tochtergesellschaften in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA.
INFORMATION
Die Seiten „Comeback“ beruhen auf einer Medienkooperation mit der „Presse“ und sind mit finanzieller Unterstützung der Fabasoft AG entstanden.