Zoologie

Einzigartig im Tierreich: Elefanten quietschen mit den Lippen

Clemens Fabry
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Wiener Forscherinnen belegen erstmals eine Lautproduktion bei asiatischen Elefanten, die direkt im Mund und nicht im Rüssel entsteht.

Wer die Sprache der Elefanten erforschen will, ist in Wien an der richtigen Stelle. Angela Stöger-Horwarth folgt seit 20 Jahren den großen Säugern mit Mikrofonen und Kameras: Babyelefanten im Tiergarten Schönbrunn genauso wie großen Herden in afrikanischen Naturschutzgebieten und Nationalparks. So entdeckte die Wienerin, die schon in ihrer Doktoratszeit mit ihren Kindern gern Benjamin Blümchen hörte, dass Elefanten mit mehr Lauten kommunizieren als mit einem einfachen Töröööö.

Dieses Tröten durch den Rüssel können Neugeborene noch gar nicht, das lernen Jungtiere erst mit ein paar Monaten. Sechs Laute fand das Team um Stöger-Horwarth anno 2007 in 1700 Stunden Tonaufnahmen von der Sprache der Elefantenkälber in Wien und Nairobi. Vier davon werden vermutlich im Kehlkopf produziert: Rumble, Bellen, Schreien und Grunzen. Zwei Laute scheinen im Rüssel zu entstehen: Trompeten und Schnauben. Erwachsene Elefantenkühe gelten als Tratschtanten. Sie geben in engeren sozialen Gruppen mehr und öfter Laute von sich als die eher einzelgängerischen Bullen, die vor allem mit Grummellauten über weite Strecken kommunizieren.

Nun hat das Team des Mammal Communication Labs der Uni Wien entdeckt, wie asiatische Elefanten ein für sie typisches Quietschen produzieren: Die Dissertantin Veronika Beeck vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie näherte sich einer Elefantengruppe in Nepal und richtete auch eine „akustische“ Kamera auf die Tiere. Diese ist mit 48 Mikrofonen ausgestattet und macht Schall sichtbar: Die bunten Farben erinnern an die Bilder von Thermokameras und zeigen genau, woher der Ton kommt.

Kamera mit 48 Mikrofonen

Erst durch diese Technik wurde klar, dass das hohe Quietschen, das asiatische Elefanten bei großer Aufregung von sich geben, direkt aus dem Mund kommt und mit den Lippen produziert wird. Die Forscher hatten schon vermutet, dass das Quietschen nicht von den Stimmbändern kommen kann, denn große Tiere haben lange Stimmbänder und solche eignen sich nur für tiefe Frequenzen. Das hochfrequente Quietschen (300 bis 2300 Hertz) würde physikalisch nicht zu den langen Stimmbändern der Elefanten passen.

Gemeinsam mit Berliner Kollegen, die den technischen Part der Datenerhebung über hatten, publizierten die Wiener Forscherinnen nun im Journal BMC Biology (17.6) die Weltneuheit, dass asiatische Elefanten diese Laute mit den Lippen machen und nicht mit den Stimmbändern oder im Rüssel. Anatomische Studien weisen darauf hin, dass die Tiere dabei Luft durch die angespannten Lippen pressen und so die Lippen in Schwingung bringen.

„Diese Technik ähnelt dem Lippensummen, mit denen Trompetenspieler ihr Instrument zum Klingen bringen“, erklärt Stöger-Horwath. Man kann es sich auch vorstellen wie den Klang, den ein Luftballon macht, wenn man die Öffnung spannt und Luft entweichen lässt. „Diese Technik der Lautproduktion mit summenden Lippen ist im Tierreich bisher einzigartig“, sagt die Erstautorin Veronika Beeck.

Dass die Bandbreite an möglichen Lauten aber groß ist, zeigte das Wiener Team schon 2012, als der asiatische Elefant namens Koshik in Korea sogar die menschliche Sprache imitierte und einige Wörter auf Koreanisch äußerte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2021)

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