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EM 2020: Werden die Spiele zu „Superspreader-Games“?

In Schottland lassen sich 2000 Neuinfektionen direkt mit EM-Spielen in Verbindung bringen.
In Schottland lassen sich 2000 Neuinfektionen direkt mit EM-Spielen in Verbindung bringen. REUTERS
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Die Publikumsfrage: Geisterspiele wollte keiner, aber volle EM-Stadien rufen bei Politik und WHO jetzt – nach Coronafällen – massive Kritik hervor. Die Uefa zeigt mit dem Finger auf die Politik und erlaubt noch mehr Fans.

Mit Zuschauern? Mit viel mehr als anfänglich gedacht? Oder lieber doch wieder ohne, weil es vernünftiger wäre in der Pandemie? Der Profisport steckt in einer beklemmenden Situation: Die Begeisterung über Großereignisse wie die Fußball-EM, Formel 1 in Spielberg oder die Sommerspiele in Tokio ist fern der Spielorte durchaus abschätzbar. In Japan wäre man sogar in der Gastgeberstadt heilfroh, würden Regierung und Internationales Olympisches Komitee das Event noch absagen. Man hat Bedenken, es könnten „Superspreader-Games“ werden. Doch wird trotz steigender Coronazahlen, Stichwort: Delta-Variante, munter weitergespielt und bei kritischen Fragen flott gemauert.
Während man sich in Tokio auf Spiele in einer mit bizarren Tracking-Systemen und Verboten aufgezogenen „Blase“ vorbereitet, biegt die EM auf die Zielgerade ein. Natürlich sah man tolle Spiele und Sensationen. Aber es gibt auch Tausende Coronafälle, die trotz Warnungen Wirklichkeit wurden.

In Schottland lassen sich 2000 Neuinfektionen direkt mit EM-Spielen in Verbindung bringen. 400 Schotten waren gar, wissentlich oder in Dummheit vereint, bereits infiziert im Stadion im Spiel gegen England. 800 Finnen schleppten das Virus aus St. Petersburg mit in die Heimat. Trotzdem waren am Freitag über 30.000 Fans im russischen Stadion, 60.000 werden es im Halbfinale und im Endspiel von Wembley sein. Tests, Impfprogramm und vermeintlich rigorose Hygienevorschriften dienen als Türöffner.

Natürlich drängen da Fragen zu Sinn und Folgen vor. Dass aus Sicht von Uefa und IOC der Kommerz der Antrieb ist, EM und Olympia sind schließlich ein Geschäft, ist unbestritten. Auch für die Politik sind volle Tribünen ein Gewinn als Zeichen neuer Stärke. Weil man es damit ja besser gemacht hat als alle anderen. Nur, was, wenn es doch Folgen hat, die Zahlen deshalb steigen, ein EM-Cluster – wenn er publik wird – aufgeht? Dann will fix keiner dafür die Verantwortung übernehmen. Das scheint jetzt der Fall zu sein, weil die Kritik an dicht besetzten Stadien wächst und selbst die WHO die EM und ihre Fanpolitik kritisch sieht.
Der deutsche Innenminister, Horst Seehofer (CSU), hält das Vorgehen der Uefa in der Zuschauerfrage für „absolut verantwortungslos“. Die Uefa kontert und verweist bei der Entscheidung über die Anzahl der Fans, Einreiseregeln oder Kontrollen auf lokale Behörden. Deshalb durften etwa keine Österreicher zum Achtelfinale nach London fliegen, oder keine Briten nach Rom.

Jeder partizipiert von dem Event und den Einnahmen. Im Problemfall jedoch zeigt jeder, wie immer, mit dem Finger auf andere. Gespielt wird trotzdem. Mit Applaus, Werbung und Live-TV. Koste es, was wolle. Und die Sintflut? Die kommt nach dem Abpfiff.

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