Leitartikel

Lobautunnel: So unsozial kann grüne Machtpolitik sein

APA
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Der Lobautunnel kommt vorerst nicht. Die grüne Retourkutsche für den Rauswurf aus der Stadtregierung hat für Wiener Außenbezirke verheerende Folgen.

Zynisch könnte man resümieren: Durch das grüne Njet zum Bau des Lobautunnels sind in Teilen der Hauptstadt zumindest die Grundstückspreise gesunken. Denn seit vielen Jahren wird in den Stadtentwicklungsgebieten nördlich der Donau kräftig spekuliert. Kostete der Quadratmeter vor zehn Jahren noch 100 Euro, kletterte der Preis zuletzt auf bis zu 700 Euro. Und nur damit es keine Missverständnisse gibt: Die Rede ist von Grünland. In Floridsdorf und in der Donaustadt weiß man längst, wer die größten Immobilienhaie sind: Es sind die Bauern. Und dank Leonore Gewessler dürfen sie auf ihren Äckern an der Stadtgrenze nun wieder Salat anbauen. So wie früher.

Die grüne Umweltministerin hat vergangenen Donnerstag nicht nur ein Straßenprojekt auf Eis gelegt, sie hat einer ganzen Region einen wirtschafts- und sozialpolitischen Bärendienst erwiesen. Die Art und Weise, wie sie es getan hat, könnte Freunde der guten, alten Machtpolitik allerdings in Verzückung bringen. Und auch das Timing ist beachtlich. Just als nach der Tötung eines 13-jährigen Mädchens die Debatte über den Umgang mit kriminellen Asylwerbern ausbricht, setzt Gewessler einen gezielten Kontrapunkt.

Aus ihrem Ministerium hieß es lapidar und im Beamtensprech: „Alle Neubauprojekte der Asfinag werden aktuell im Rahmen der Evaluierung des Asfinag-Bauprogramms im Klimaschutzministerium geprüft. Dabei stehen insbesondere die Notwendigkeiten für das Mobilitätssystem der Zukunft und die Ziele des Regierungsprogramms (Klimaneutralität 2040) im Fokus.“>>> Grüne Ministerin stoppt Lobau-Tunnel [premium]



Politische Retourkutschen kommen mitunter holprig daher. Doch diese hat es in sich. Das 1,9 Milliarden-Euro-Vorhaben Lobautunnel zählt zu den wichtigsten Infrastrukturprojekten der Ostregion. Der Bau der Nordostumfahrung bedeutet nicht nur, dass vor allem der Schwerverkehr, der über die Südosttangente mitten durch die Stadt fließt, endlich umgeleitet wird. Er hätte dazu geführt, dass Wohnbauprojekte in Angriff genommen werden und den Wiener Außenbezirken jene Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihnen gebührt. Aber offenbar endet grüne Stadtpolitik an der Latte Macchiato-Grenze.

Die Umweltbelastungen durch den Bau wären minimal gewesen. Die Röhre wäre bis zu 60 Meter unter der Donau und die Lobau gegangen, das hätte keinen Regenwurm gekratzt. Sprich: Vermutlich findet man in ganz Österreich kein Straßenbauprojekt, das ökologisch und ökonomisch so sinnvoll ist.

Aber man kann eben nicht alles im Leben haben, selbst wenn man Wiener Bürgermeister ist. Wer die Grünen durch die Neos ersetzt, darf sich am Ende nicht wundern, wenn die Ampel plötzlich auf Rot steht.

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